Mordsdeal
Gespräch spontan vorbereitet zu einem Glas Wasser bei ihr eingeladen, da sie angeblich in der Gegend zu tun hatte.
»Ja, es wird Zeit, Mia. Wir müssen uns persönlich darüber unterhalten. Du solltest dich nicht in Dinge einmischen, die dich nichts angehen.«
Mia hatte sich über diese Äußerung nicht aufgeregt, sondern ihren Beauty gesattelt und war losgefahren.
Wie immer stellte sie das Radio an. Sie hörte Welle Niederrhein, manchmal aber auch EinsLive oder WDR 2, wie ihr gerade zumute war – aber niemals WDR 4, dabei wurde sie sentimental oder schlief ein. Ruckzuck erreichte sie den silbernen Panther und Bürger König, nahm Anlauf für die Brücke und fuhr Richtung Hückelsmay. Noch circa acht Minuten, bei roten Ampeln 10 Minuten, dann war sie bei Gitti.
Mia dachte darüber nach, wie Gitti sich wohl fühlte, wie es wäre, selbst Witwe zu sein. Es machte sich ein mulmiges Gefühl in ihr breit. Sie würde ihren Nochehemann Bodo sehr vermissen, besonders seine smaragdgrünen Augen, seine an den Schläfen feinen dunklen Ränder vom frisch gefärbten Haar und sein blitzweißes Kronenlächeln. Nie mehr könnte sie sich über seinen Zigarrenduft aufregen, Rotwein aus seinem Glas trinken und heimlich den perfekt sitzenden Businessanzug bestaunen und in seinen Taschen wühlen. Na ja, Letzteres war schon lange her und zählte zu den Jugendsünden. Es war aber auch berechtigt gewesen, wie sich im Nachhinein herausstellte. Mia dachte bewusst zynisch, sie wollte dieses Gefühl, ihr Ehemann Bodo könne tot sein, dann doch nicht zu nah an sich herankommen lassen. Finanziell würde es ihr besser gehen, aber menschlich wäre es eine Katastrophe, wenn er nicht mehr leben würde. War das Liebe?
Kaum fuhr Mia auf den Parkplatz, öffnete sich die Haustür. Gitti musste am Fenster gestanden und sie beobachtet haben. Ihr enger, schwarzer Rock und die auf Taille geschnittene Bluse standen ihr gut, auch die Farbe schwarz. Die fast knabenhafte Figur Gittis kam darin gut zur Geltung, die blonde Pagenkopffrisur hob sich davon kontrastreich ab. Trotzdem wollte Mia nicht so aussehen wie sie.
Im Gegensatz zu ihren sonstigen Wiedersehen bestand heute Frostgefahr.
»Komm rein.«
Gitti führte Mia in die Küche, in der sie so manch lustigen Nachmittag verbracht hatten. Sie setzte sich auf ihren Stammplatz. »Gitti, ich möchte dir mein herzlichstes Beileid aussprechen. Das ist ja wirklich tragisch. Was musst du mitgemacht haben, auch in seinen letzten Stunden.« Das ›auch‹ war Mia so rausgerutscht. Gitti hatte es glücklicherweise überhört, ihr waren die Tränen gekommen. Die Kälte in ihrem Gesichtsausdruck war nun verschwunden.
»Ja, es war nicht einfach. Er hatte sich bis zuletzt mit dem Gedanken gequält, nicht das erreicht zu haben, was er wollte.«
Dann, auf einmal, kam es Mia so vor, als hätte man bei Gitti einen Schalter umgestellt. Sie sah Mia durchdringend an und drohte ihr sogar: »Hör zu, Mia! Lass Heiner seinen Frieden. Er hat es verdient. Tote soll man ruhen lassen. Ich möchte keine Einmischung oder irgendwelche Untersuchungen oder eine Obduktion. Es soll nicht an ihm herumgeschnippelt werden, das hätte er nicht gewollt, und das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, schon gar nicht zulassen.« Sie stand auf und griff zur Küchenrolle, riss ein paar Blätter ab. Eines überreichte sie Mia. Mia lehnte dankend ab und sah sich in der Küche um.
»Sag mal, Gitti, wo hast du eigentlich die wunderschöne dunkelblaue Vase her, die dort auf der Fensterbank steht?«
»Vom Supermarkt, wieso?«
»Lidl, Plus oder Aldi?«
»Weiß ich nicht mehr. Warum?«
»Ich mein nur mal. Ich habe mich gerade an Heiner erinnert und daran, dass er Vasen nicht ausstehen konnte.«
»Wie kommst du darauf? Nein, es gab nur eine Vase, die er doof fand, und die war aus … wie hieß noch mal die Insel bei Venedig … ich glaube … Murano. Aber die habe ich längst verkauft.« Gitti lief rot an.
*
Für Romeo hatte es keinen Zweck mehr, mit seiner Mutter zu sprechen. Sie war zu aufgebracht von dem Gespräch mit Mia und hatte sich darüber aufgeregt, dass diese so mir nichts, dir nichts mitten im Gespräch aufgebrochen war. »Dabei wollte ich ihr noch erzählen, wie nett die vom Beerdigungsinstitut sind. Hätte ich dem Bestatter wirklich nicht zugetraut. Bei dem Elend, das er jeden Tag sieht. Daran sollte sich so manch einer mal ein Beispiel nehmen. Den Termin habe ich jetzt bekommen. Mittwoch ist die Beerdigung. Eher ging es
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