Mordsdeal
anzunehmen, damit er seiner Mutter das Geld für die private Obduktion auf den Tisch werfen konnte. Dann musste sie die Zustimmung unterschreiben.
»Romeo? Wo bist du mit deinen Gedanken? Hör zu, das ist jetzt aber alles vorbei, was er uns angetan hat. Dein Vater ist tot und wir wollen ihn in Frieden ruhen lassen.«
Er ließ seine Mutter sitzen, ging auf sein Zimmer und stellte die Musik laut. Morgen würde er seine restlichen Sachen rüberholen, die er noch bei Tante Hilla hatte. Das Geld für die Verpflegung konnte er schon einmal sparen.
Noch nicht einmal den Song hatte er zu Ende hören können, da zog es ihn an den Computer, ins Internet. Er recherchierte nach Chemikern, chemischen Analysen, Giften, Kontaktgiften und was ihm zu dem Thema gerade so eingefallen war. Eine Website machte ihn neugierig. Ein Dr. Dr. mit einer Adresse in Berlin bot günstige Vaterschaftstests und chemische Analysen aller Art an. Romeo notierte sich die Adresse und beschloss, gleich morgen zur Post zu fahren.
Das Geld für die Analyse hatte er, fehlte noch die Kohle für die Obduktion. Aber dafür gab es Seiten im Internet, die er bisher immer gemieden hatte.
*
Mia läutete den Abend ein. Es wurde aber auch Zeit. Das heiße Bad hatte ihre Muskeln entspannt. Sie streckte ihre Glieder, seufzte wohlig auf und schlüpfte, wie Gott sie geschaffen hatte, in den neuen Kaftan. Er war heute Mittag per DHL ins Haus gekommen. Sie hatte ihn sofort gewaschen und in den Trockner gesteckt, und nun erfreute sie sich an den großflächigen Ornamenten, den kräftigen Farben und dem Duft von Frische und Feierabend. Mia schüttelte mit den Fingern ihre noch feuchten Haare durch. Ihr Outfit hatte etwas von einem Hippie. Fehlte nur noch der Joint zur Bewusstseinserweiterung, aber den brauchte sie nicht. Sie hatte manchmal das Gefühl, viel zu viel mitzubekommen. Ihre Fantasie schlug sehr oft Purzelbäume, dass es kaum auszuhalten war. Aus diesen chemischen Verbindungen in ihrem Gehirn konnte man glatt eine neue Designerdroge mixen. Ecstasy war Traubenzucker dagegen.
Mia ging zur Vitrine, sie nahm sich ein Weinglas heraus und goss den roten Traubensaft ein. Sie sah noch einmal auf die Flasche. Nein, es war wirklich welcher. Kindheitserinnerungen kamen beim Safttrinken auf. Waldemar und sie durften damit auf Familienfesten mit den Erwachsenen anstoßen. Nie würde sie den Tag vergessen, es war Onkel Edwins Geburtstag, an dem ihre Mutter ihnen Kirschsaft vorgesetzt hatte. Er hatte Klein-Mia und Klein-Waldemar sehr gut geschmeckt. Im Laufe des Abends hatten sie eine ganze Flasche ausgetrunken. Sie spielten unter dem Tisch und banden den Erwachsenen die Schnürsenkel zusammen. Ihr Spiel wurde immer ausgelassener. Aber dann gab es fürchterliche Bauchschmerzen für beide und Onkel Edwin roch sie zuerst – die Fahne vom Kirschwein.
So hatte sie mit sechs und Waldemar mit 12 den ersten Vollrausch gehabt.
Erst jetzt setzte Mia sich auf die Couch, sah ins Fernsehprogramm und entschied für sich, die Glotze heute auszulassen. Ob sie es schaffte, einen Abend ohne auszukommen? Es gab Menschen, die verzichteten bewusst darauf. Nichts für sie. Sie zwang sich, nicht auf das ausgeschaltete Gerät zu sehen. Ihr Blick rastete auf der schwarzen Kunstledertasche ein. Heiners Laptop. Das war kein Fernsehen. Das war Gehirnjogging, wenn sie jetzt versuchte, Heiners Passwort herauszufinden. Sie hatte Romeo versprochen, es zu versuchen. Was man versprach, sollte man auch tunlichst halten. Mia holte die Tasche zu sich und war gespannt, was das Notebook auszupacken hatte.
»Geben Sie Ihr Kennwort ein.«
Mia tippte nacheinander die Vornamen von Heiners Familie ein: Gitti, Hilla, Romeo – Romeo? Gabs noch mehr Kinder? Uneheliche? Hatten Heiner und Gitti ein Haustier? Welches Auto fuhr er, welchen Hobbys ging er nach? Sollte sie sich ein Stethoskop besorgen und an der Festplatte horchen, bei welchem Buchstaben es lauter ratterte? Manchmal wurden auch Jahreszahlen oder Geburtstage dem Namen hinzugefügt. Also noch mal: Gitti07, Hilla07, Romeo07, 007Romeo …
Gut, Mia hatte gedacht, sie würde es alleine schaffen, aber dann … Sie klickte auf das Fragezeichen neben der Passworteingabe und griff nach kurzer Überlegung zum Hörer, wählte Romeos Handynummer.
Er nahm sofort ab.
Mia überfiel ihn mit der Frage.
»Sag mal, woher stammt die Vase deiner Mutter?«
»Welche? Sie hat Hunderte davon.«
»Na, die dämliche!«
»Bitte?«
»Ist schon gut. Du weißt also nicht,
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