Mordsfreunde
kehrte wie üblich den Macho heraus.
»Ich esse hier nichts«, verkündete er. »Von dem Tofu- und Gemüsekram krieg ich Ausschlag.«
»Ach was, haben Sie etwa gestern Gemüse gegessen?«, fragte Pia süffisant. Behnke warf ihr einen verärgerten Blick zu. Die Allergien, mit denen er gerade in den Sommermonaten zu kämpfen hatte, waren sein wunder Punkt. Er sagte aber nichts, weil Aydin zurückkehrte. Pia bestellte einen Mangosaft und einen Kräuterbagel mit Frischkäse. Vier Mädchen betraten das Bistro und setzten sich an den Tresen, hinter dem ein junger Mann an einer Stereoanlage herumhantierte. Wenig später ertönte leise Hintergrundmusik. Behnkehatte sich schließlich für ein Hawaii-Sandwich entschieden und kaute missmutig. Pia beobachtete die jungen Leute, die nach und nach von draußen hereinkamen. Die meisten von ihnen blieben im vorderen Bereich des Bistros, setzten sich an die hohen Tische oder an den Tresen. Sie wirkten traurig und betroffen, unterhielten sich mit gedämpften Stimmen und umarmten sich gegenseitig tröstend. Einige der jungen Leute schlenderten allerdings quer durch das Bistro und verschwanden hinter einer Tür mit der Aufschrift »Privat«. Es war kurz nach halb sieben, als Lukas van den Berg zur Tür hereinkam. Er war sofort umringt von trostsuchenden Mädchen, die schluchzten und sich von ihm umarmen ließen. Nach einer Weile ging Lukas hinter den Tresen und machte sich an die Arbeit. Wieder kamen zwei Jungen herein, überm Arm Motorradhelme. Sie grüßten Lukas, beachteten die vorwiegend weibliche Trauergesellschaft nicht weiter und gingen zielstrebig auf die Tür hinten im Bistro zu. Offenbar gab es unter den Jugendlichen einige, die der Tod von Pauly nicht besonders aus der Fassung brachte.
Falls das Architektenehepaar Graf das Haus, in dem sich ihr Büro befand, selbst entworfen hatte, dann waren sie Könner ihres Fachs. Bodenstein war ehrlich beeindruckt von dem ungewöhnlich restaurierten Fachwerkhaus in der Bad Sodener Altstadt. Seit einer guten Viertelstunde saß er in einem angenehm klimatisierten Besprechungszimmer im Erdgeschoss. Sein Besuch bei Norbert Zacharias war ergebnislos verlaufen. Entweder war der Mann tatsächlich nicht zu Hause gewesen, oder er hatte sich hinter herabgelassenen Rollläden in seinem Bungalow mit schlechtem Gewissen verschanzt. Bodenstein hatte seine Visitenkarte gut sichtbar an den Briefkasten geklemmt und beschlossen, später noch einmal vorbeizuschauen. Es war halb sechs, als Mareike Graf endlichvon der Baustelle zurückkehrte und sofort ins Besprechungszimmer kam. Bodenstein stellte fest, dass Pauly seinem Typ Frau treu geblieben war. Mareike Graf war ebenso zierlich und hübsch wie Esther Schmitt, wenn auch ungleich gepflegter. Das schmalgeschnittene Leinenkleid und der taillierte Blazer betonten ihre mädchenhafte Figur. Sie machte nicht den Eindruck, als sei sie gewalttätig, wie Esther Schmitt behauptet hatte.
»Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung«, sie lächelte ein atemloses, bezauberndes Grübchenlächeln und reichte ihm die Hand. »Hat man Ihnen etwas zu trinken angeboten?«
»Ja, danke«, Bodenstein lächelte auch und setzte sich wieder.
»Ich habe schon gehört, dass mein geschiedener Mann tot ist«, sagte Mareike Graf. »So etwas spricht sich schnell herum. Herr Schwarz hat mich gestern angerufen.«
»Wie lange waren Sie und Herr Pauly verheiratet?«, fragte Bodenstein und überlegte, wem Landwirt Schwarz gestern wohl nicht die frohe Botschaft vom Ableben seines ungeliebten Nachbarn verkündet hatte.
»Vierzehn Jahre«, erwiderte Mareike Graf und verzog das hübsche Gesicht zu einer Grimasse. »Er war mein Lehrer, und ich war mir schon in der neunten Klasse darüber klar, dass er der Mann meines Lebens sein würde.« Sie lachte geringschätzig. »So kann man sich irren.«
»Was hat Sie an ihm fasziniert?«
»Er hatte Visionen«, ihre Stimme klang nüchtern, »ich fand es toll, wie überzeugt er von dem war, was er tat.«
»Was war der Grund für Ihre Trennung?«, fragte Bodenstein.
»Ich hatte ihn durchschaut«, Mareike Graf zuckte anmutig die Schultern. »Er stellte sich gerne als selbstlosen Kämpfer für eine bessere Welt dar, aber das war er nicht. In Wirklichkeitwar er ein schwacher Mensch, der dauernd Selbstbestätigung suchte. Am liebsten umgab er sich mit jungen Leuten, die an seinen Lippen hingen. Diese Bewunderung brauchte er wie ein Fisch das Wasser. Er lief zu Höchstform auf, je mehr Leute vor ihm
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