Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsidyll

Mordsidyll

Titel: Mordsidyll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Zandecki
Vom Netzwerk:
Frau mit der Türken- oder der Russenmafia zu tun? Können Sie mir das erklären? Und haben Sie sich schon überhaupt die JVA-Besucherliste von Wassiljew vorgenommen?«
    Die Frage überraschte Ruste. So viel Gespür hatte er seinem Vorgesetzten nicht zugetraut. »Sie haben völlig recht«, antwortete Ruste und tauschte grinsend mit Schröder vielsagende Blicke aus. »Darf ich Ihnen das gleich unter vier Augen erklären?«
    Schröder kam seinem Chef eifrig zu Hilfe. »Und was den Fall angeht: Vielleicht haben wir es mit zwei unabhängigen Spuren zu tun, die sich bei zufällig kreuzen. Vielleicht war der Täter eine Frau? Oder jemand, der bewusst Frauenschuhe trug, um uns zu täuschen? Vielleicht hatte der BMW gar nichts mit dem Mord zu tun, sondern es waren Komplizen, die Wassiljew abholen wollten.«
    Â»Etwas absurd, aber die Spurenlage würde diese Vermutung stützen«, ergänzte Schwenke zögerlich.
    Â»Gute Überlegung, Schröder«, brummte Junge. »Das war es dann, meine Herren. Ruste und Schröder, Sie bleiben hier und erläutern mir umgehend, warum Sie sich beim Thema Besucherliste so kindisch angegrinst haben!«

    Rasch hatte Anna den leblosen Körper des schweren Mannes in die Ecke der Box gezogen und mit Stroh bedeckt, bevor sie vor den Stall getreten war. Sie war noch damit beschäftigt, die Halme von ihrem Kittel zu klopfen, als sie beim Anblick ihres Besuchers erstarrte. Anna erkannte ihn sofort wieder: Den jungen Mann, den sie eigentlich hatte töten wollen. Er hatte sich überhaupt nicht verändert. Er war noch immer der schlaksige Junge, nur das alberne Kinnbärtchen hatte er abrasiert.
    Â»Ich will Sie nicht sehen, verschwinden Sie!«, befahl Anna.
    Tim Mazcevski stand verloren zwischen den ganzen Kühen, die noch immer ziellos auf dem Vorplatz herumgingen. »Sie wissen, wer ich bin?«
    Â»Sicher, Herr Mazcevski. Verschwinden Sie auf der Stelle!«
    Â»Ich bitte Sie. Geben Sie mir nur fünf Minuten. Ich komme direkt aus dem Gefängnis.«
    Anna beäugte den jungen Mann misstrauisch. Er trug eine Jeans und einen Parka mit Fellbesatz an der Kapuze. Seine Gesichtszüge waren kantiger, als sie sie in Erinnerung hatte. War er etwa erwachsen geworden?
    Â»Was wollen Sie von mir?«, fuhr ihn Anna schroff an.
    Â»Ich möchte mit Ihnen reden. Einfach nur reden, wenn Sie es erlauben?«
    Anna stand überhaupt nicht der Sinn nach Reden. Sie musste das Problem mit der Leiche lösen, und zwar schleunigst.
    Â»Ich habe keine Zeit. Ich muss mich um die Tiere kümmern. Sie müssen zurück in den Stall.«
    Â»Ein bisschen früh, um die Kühe schon aus dem Stall zu lassen, oder? Sie müssen wissen, meine Familie hatte früher auch Milchvieh und das durfte erst im Mai raus. Soll ich Ihnen helfen, die Tiere hineinzutreiben?«
    Â»Danke, das schaffe ich allein. Ich würde mich wirklich wohler fühlen, wenn Sie jetzt verschwinden und Ihre Briefe einstellen würden. Gehen Sie nach Hause.«
    Â»Das kann ich nicht. Mein Vater will mich nach dem … also, nach dem Unfall nicht mehr sehen. Nur meine Mutter hat mich im Gefängnis besucht. Ehrlich gesagt weiß ich überhaupt nicht, wo ich hin soll.« Mazcevski blinzelte in die Sonne. »Kann ich nicht doch helfen? Das wäre schön.«
    Anna zögerte. Irgendwie tat ihr der Junge leid. Er schien einsam zu sein – wie sie. Und hatte sie nicht den Entschluss gefasst, die Vergangenheit ruhen zu lassen? Nachdenklich ließ sie den Blick über ihre Herde schweifen. Etwas Hilfe beim Eintreiben der Tiere könnte nicht schaden.
    Â»Gut, ich hole zwei Leinen für die Leitkühe«, gab Anna schließlich nach. »Sie bleiben hier.« Sie ging in den Stall und kam mit zwei orangefarbenen Nylonstricken heraus. »Sie nehmen die da, das ist Agatha Christie, und ich nehme die hier, Enid Blyton. Sie wissen, wie das geht?«
    Â»Klar, weiß ich … Komische Namen.« Gekonnt legte er dem Tier den Strick um den Hals und klinkte den Karabinerverschluss in der Metallöse ein. Dann zog er die Kuh in Richtung Tor. Doch Agatha weigerte sich, Mazcevski zu folgen. »Na los, komm schon!«, rief der junge Mann und zog fester.
    Anna konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Belustigt beobachtete sie, wie Agatha trotzig stehen blieb und den Kopf senkte. Mazcevski schlug ihr mit der flachen Hand aufs

Weitere Kostenlose Bücher