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Mordsidyll

Mordsidyll

Titel: Mordsidyll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Zandecki
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sich versah, packte eine Hand ihren Kittel und zog sie grob aus dem Strohberg heraus.

    *

    Als Ruste mit Schröder in der JVA eintraf, empfing sie ein verwirrter Gefängnisdirektor. »Die Besuchsliste willst du haben, oder, Ben? Eigentlich kein Problem, ein Knopfdruck und sie wird ausgedruckt, woll? Aber im Augenblick geht das nicht, die EDV spinnt«, erklärte Ebbing.
    Â»Was heißt ›die EDV spinnt‹?«, frage Ruste nach.
    Ebbing druckste herum und erzählte etwas von vorübergehenden technischen Problemen. Offensichtlich wollte er nicht mit der Sprache herausrücken. Ruste ließ sich jedoch nicht so schnell abwimmeln. Schließlich blieb dem Gefängnisdirektor nichts anderes übrig, als mit der Wahrheit herauszurücken: »Zwei Mitarbeiter der Nachtschicht haben sich seit geraumer Zeit Pornos aus dem Internet heruntergeladen. Eigentlich ist das unmöglich, wir haben da so eine Firewall, aber einer hat ein Programm installiert, mit dem sich der Schutz umgehen lässt.«
    Â»Und was hat das mit der Besucherliste zu tun?«, fragte Schröder.
    Â»Nun ja. Weil das System offen war, haben wir uns einen Virus eingefangen. Die beiden erwartet natürlich ein Disziplinarverfahren, das sich gewaschen hat. Seit Tagen spinnt nun die EDV. Alle Termine, Dienstpläne, Entlassungen, Einlieferungen – einfach alles ist durcheinander. Teilweise sogar komplett vertauscht. Morgen kommen die IT-Spezialisten, extra aus Berlin. Jetzt müssen wir alles dreimal prüfen, korrigieren und von Hand erledigen. Du kannst dir nicht vorstellen, was hier los ist«, erklärte Direktor Ebbing an Ruste gewandt.
    Â»Dann gib uns die Liste auf Papier. Ist kein Problem!«, erwiderte Ruste.
    Â»Doch, ist es. Wir haben keine Papierlisten mehr. Alles ist digitalisiert. Und jetzt ist alles ein digitales Chaos.«
    Â»Hör mal, Klaus«, sagte Ruste in ruhigem Ton zu Ebbing, »es ist dringend. Wir müssen ermitteln. Und wir vermuten, dass der Täter oder die Täterin aus dem Bekanntenkreis Wassiljews kommt beziehungsweise ihn im Gefängnis besucht hat.«
    Â»Es geht aber nicht, Ben«, gab Ebbing genervt zurück. »Ich habe alle Hände voll zu tun, hier den Betrieb überhaupt aufrechtzuerhalten.«
    Â»Klaus, ich habe den Auftrag von ganz oben. Ich meine, der Alte schickt mich, damit ich diese Liste hole und die Leute überprüfe. Was soll ich dem sagen? Dass deine Leute Pornos gucken und deshalb ein potenzieller Mörder weiter frei herumläuft?«
    Â»Gut! Also gut! Ich kümmere mich darum. Aber dazu muss jemand die Besucherbücher eines Jahres Seite für Seite durchgehen. Das dauert. Mehr kann ich im Augenblick nicht für euch tun. Es sei denn, die IT-Leute spielen morgen ein Back-up ein, und wir können wieder arbeiten.«
    Gefängnisdirektor Klaus Ebbing betonte die englischen Begriffe, als wolle er seine Fachkompetenz unterstreichen und Respekt zurückgewinnen. Auf Ruste machte das überhaupt keinen Eindruck. Im Gegenteil. »Du solltest von deinem Gehirn auch ein Back-up anlegen. Bis morgen früh – allerspätestens – brauche ich die Liste. Mach’s gut, Klaus«, sagte er und ging zur Tür.
    Â»Einen Moment! Ich wäre euch beiden sehr dankbar, wenn ihr die Virusgeschichte für euch behaltet. Danke.« Ebbing winkte müde, als die Kriminalpolizisten das Büro verließen.

    *

    Voller Hass blickte das Boxergesicht Anna an. »Jetzt reicht es mir. Eigentlich müsste ich dich für dieses Theater bestrafen. Also los jetzt, rück die CD raus! Meine Geduld ist am Ende.«
    Â»Ich habe sie nicht«, erwiderte Anna trotzig.
    Der Mann holte aus und schlug Anna mit der flachen Hand ins Gesicht. Der Hieb war so kräftig, dass sie umfiel und gegen die hölzerne Trennwand der Stallbox geschleudert wurde.
    Drohend kam das Boxergesicht auf sie zu. »Vielleicht muss ich dir einige Knochen brechen, bis du dich erinnerst.«
    Er trat Anna mit voller Wucht in den Magen, dass sie sich krümmte. Der Schmerz tobte durch ihren gesamten Körper. Sie bekam kaum Luft. »Moment, Moment …«, ächzte sie bettelnd. »Ich gebe Ihnen die CD ja. Ich gebe sie Ihnen.«
    Mühsam wandte sie sich zur Trennwand, um sich daran hochzuziehen. Sie würde ihn nicht länger täuschen können. Es gab keinen Ausweg mehr. Sie hatte verloren. Vielleicht war das die gerechte Strafe für

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