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Mordsidyll

Mordsidyll

Titel: Mordsidyll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Zandecki
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einfach. Immerhin haben Sie ihn angefahren und sind dann abgehauen. Klaus lag eine Stunde im Graben, ehe man ihn fand. Kostbare Zeit ist verstrichen, bevor Sie die Polizei benachrichtigt haben – und das auch noch anonym. Mein Mann hätte überleben können, ist Ihnen das jemals klar geworden?«
    Â»Ich weiß, dass ich alles verkehrt gemacht habe. Ich war in Panik geraten. Ich habe eben den Wagen meiner Eltern ohne Erlaubnis genommen, um zur Disco zu fahren, und dort etwas getrunken. Als ich dann am frühen Morgen zurückgefahren bin, tauchte plötzlich kurz hinter der Kurve Ihr Mann vor dem Wagen auf. Glauben Sie mir, ich habe sofort aufs Bremspedal getreten, aber die Bremsen haben versagt! Diese billigen Fälschungen! Aber das wissen Sie ja bereits. Verstehen Sie mich nicht falsch, mir ist bewusst, dass ich mich nicht richtig verhalten habe. Aber als die Polizei mich ausfindig gemacht hatte, habe ich sofort die Wahrheit erzählt. Und hätten die Bremsbacken funktioniert, wäre es gar nicht so weit gekommen! Ich wäre rechtzeitig zum Stehen gekommen. Die Polizei hat ja bestätigt, dass das Material so miserabel war, dass es sich bei der Vollbremsung quasi in Pulver aufgelöst hat!« Auch Mazcevski liefen nun Tränen über die Wangen.
    Anna wollte seinen Arm ergreifen, um ihn zu trösten, doch ihre Hand zuckte zurück. Sie fühlte sich hin- und hergerissen. Sie musste sich eingestehen, dass sie so etwas wie Genugtuung empfand. War es nicht ausgleichende Gerechtigkeit, dass der Junge nun so verzweifelt war? Andererseits hegte sie auch Mitgefühl für ihn. Seine Reue war echt. Und er hatte recht – wären die Autobremsen keine minderwertigen Fälschungen gewesen, hätte Mazcevski Klaus vermutlich nie angefahren. Doch sie konnte ihm beim besten Willen nicht vergeben. Noch nicht.
    Â»Und jetzt, was haben Sie jetzt vor?«, lenkte Anna das Gespräch in eine neue Bahn.
    Mazcevski wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und trank seinen Kaffee in einem Zug aus. »Ich weiß es noch nicht so genau. Ich habe im Knast eine Lehre als Schreiner gemacht und mein Abi nachgeholt. Ich hatte vor, mir eine Wohnung zu suchen und Architektur zu studieren.«
    Â»Architektur? Interessant. Mein Mann hat sich auch dafür interessiert. Vor allem für traditionelle Bauernhäuser. Wir … ich meine, ich wohne ja selbst auf einem sehr alten Hof. Ich kann Ihnen ja seine Bücher ausleihen, wenn Sie wollen?«
    Â»Das, das … wäre mir eine Ehre«, stotterte Mazcevski überrascht.
    Anna kam eine Idee. »Wissen Sie was? Wir sollten einmal zusammen zum Friedhof gehen und das Grab von Klaus besuchen. Vielleicht finden wir dann beide unseren Frieden und können wieder in die Zukunft blicken. Was halten Sie davon? Haben Sie Zeit?«
    Â»Das ist mehr, als ich erwarten durfte.«
    Anna und Mazcevski standen gerade auf, als es an der Wohnzimmertür klopfte. »Anna, bist du da? Die Haustür war nicht verschlossen …«
    Â»Ja, Ronald, komm ruhig herein!«, antwortete Anna und wartete, bis ihr alter Schulfreund seinen Kopf durch die Tür gestreckt hatte. »Was verschafft mir die Ehre, dich an einem Tag zweimal sehen zu dürfen? Ich bin es ja gar nicht mehr gewohnt, so häufig Besuch zu empfangen!«
    Â»Ã„hm, ja, ich wollte mit dir etwas besprechen. Störe ich?«, fragte Ronald.
    Â»Nein«, antwortete Anna, »Herr Mazcevski wollte sowieso gerade gehen.« Sie deutete ihrem Besucher mit einem Kopfnicken an, dass es besser wäre, aufzubrechen.
    Â»Sind Sie etwa der Typ, der Klaus über den Haufen gefahren hat?« Ronald schritt mit hochrotem Gesicht drohend auf Mazcevski zu.
    Â»Es ist alles in Ordnung, Ronald. Wirklich. Wir haben geredet.«
    Mazcevski stand auf. »Ja, dann … Auf Wiedersehen, Frau Lobbisch. Es hat mich wirklich gefreut, dass Sie mir zugehört haben.«
    Er streckte Anna seine Hand hin, die sie ergriff, ohne darüber nachzudenken. Als sich ihre Handflächen berührten, erstarrte sie für einen Moment. Doch der Schreck wich schnell einem Gefühl von Erleichterung. Das war ein wichtiger Schritt, dachte Anna. Sie musste lernen, dem Jungen zu vergeben.
    Sie lächelte ihn an. »Rufen Sie mich an und lassen Sie uns unser Vorhaben bald umsetzen.«
    Â»Gerne«, flüsterte Mazcevski. Er ließ Annas Hand los und nickte stumm in Ronalds Richtung, bevor er

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