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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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den vertrauten, erdigen Geruch der alten Mauern dieses Gewölbes, fühlte die unebenen Tonfliesen durch ihre dünnen Hausschlappen. Doris knipste das Licht an, in Paulas Kopf explodierten Farben. Sie fühlte etwas Kaltes, Rauhes im Rücken und merkte, wie sie an der Wand hinunterrutschte.
    »Schade, daß du gerade jetzt schlapp machst«, sagte Doris und stieß die Tür zum Weinkeller auf. Grelles Licht brach sich auf den Flaschen, die in hohen Holzregalen lagerten. Paula schloß die schmerzenden Augen, wirre Muster drehten sich um sie. Sie fühlte sich an den Armen hochgehoben. Natürlich! Das alles war Teil eines Traums. Ja, es mußte ein Traum sein, denn sie sah plötzlich in ein paar Augen, braune Augen, unnatürlich weit aufgerissen. Ein Gesicht, dem der Mund fehlte, vielmehr war da nur eine weiße Fläche. Ihre Hand, sie gehörte gar nicht richtig zu ihr, griff etwas Hartes, dann war das Ding wieder fort, ein Blitz schoß vorbei, und dann war alles voller Blut, hellrotes Blut, es sprudelte blasig unter dem nicht vorhandenen Mund hervor, floß an einer Gestalt hinunter, die gekrümmt auf einem ihrer Gartenstühle saß, und bildete klebrige Lachen auf dem erdfarbenen Boden.
    Dieser Traum ist neu, dachte Paula.
    »Komm, Paula, ich bringe dich ins Bett«, sagte eine rauhe Stimme.
    »Ja, Tante Lilli.« Willig ließ sich Paula die Treppen hinaufführen, Stufe um Stufe, die Hände tastend an der Wand. Es ging langsam, ihre Beine wollten ihr kaum noch gehorchen. Irgendwo klingelte ein Telefon, aber weit, weit weg. Sie sollte aufwachen aus diesem Traum, aber sie wollte schlafen, nur tief und fest schlafen.
    Wie lang diese Treppe war. Weiße Stufen, die sich im Nichts auflösten. Auf einmal roch es anders, ein Geruch wie aus ihrer Kindheit, modderig und ein bißchen ranzig. Was war es nur? Der Requisitenraum? Koljas Bauwagen? Sie fühlte einen kalten Luftzug am Hals und riß die Augen auf, für einen Moment teilten sich die Nebel, aber sie konnte nur Dunkelheit erkennen.
    »Gleich ist es soweit, Paula.« Eine sanfte Stimme, dicht an ihrem Ohr.«
    »Da … das is nich mein Bett«, stammelte sie.
    »Du hast was Böses getan, Paula. Schau nur, du bist ja ganz voll Blut!«
    »Doris …«
    »Es ist gleich vorbei, Paula.«
    »Simon …«
    »Ja, Simon. Simon wird es ab jetzt gut haben. Wir werden wieder eine normale, glückliche Familie sein.«
    Paula spürte, wie sie hochgehoben wurde, wie ging das, wo sie doch so unendlich schwer war? Sie saß unbequem, eine Kante grub sich schmerzhaft in ihre Schenkel, und etwas Nachgiebiges stützte ihren Rücken, und um sie war alles blau, es umhüllte sie warm und duftete nach Mandelöl.
    »Du hast mir mein Kind einmal weggenommen, aber ein zweites Mal gelingt dir das nicht!« Ein Mund, zu einer irrwitzigen Grimasse entstellt, sprach diese Worte, hart und zischend, dann kam wieder die sanfte Stimme: »Gleich wirst du schlafen, und dann wird alles gut. Laß los, Paula, laß dich einfach nur umfallen!«
    Spitze Dolche gruben sich plötzlich in ihre Schultern, Gesichter tanzten wild im Kreis: Doris, Tante Lilli, ihre Mutter, Simon …
    Da war er, Simon! Er lachte ihr zu.
    »Los, Paula!«
    »Simon!«
    Er breitete die Arme aus, und Paula sprang ihm entgegen. Schließlich war das nicht der erste Traum, in dem sie fliegen konnte.
    Bruno Jäckles Magen knurrte, als er mit unzufriedenem Gesicht das Apartmenthaus in der Amalienstraße verließ, in der sich Vitos Wohnung befand. Die Wohnung, in der er immer noch nicht aufgetaucht war.
    Er hatte mal wieder versäumt, für die Feiertage genug Lebensmittel einzukaufen, und das wenige, was sich in seinem Kühlschrank befand, war reif für die Mülltonne, das hatte schon Zolt heute morgen bemängelt. Also mußte er wohl oder übel wieder in den »Goldenen Löwen«.
    Im »Löwen« war es gerammelt voll, aber ein Tisch, Ehepaar mit zwei kleinen Kindern, zahlte gerade. Es war schon neun Uhr, die Kinder waren müde und quengelten. Jäckle setzte sich und hoffte, daß er alleine bleiben würde.
    »Ein Weißbier und den Seniorenteller.«
    Es dauerte über eine halbe Stunde, bis Jäckle sein Essen bekam. Das Rahmgeschnetzelte mit Spätzle und Salat besänftigte zwar seinen Magen, nicht aber seine Stimmung. Er war beunruhigt und verärgert. Dieser Vito schien aufzutauchen und zu verschwinden wie ein Geist, jedenfalls war er nie da, wenn man ihn brauchte. Hätte ich die Überwachung bloß selber übernommen, dachte er. Aber er wäre in der Siedlung sofort

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