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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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von verkorkst reden!« gab Doris prompt zurück. »Wer schleicht denn nachts in der Gegend herum und tut die irrsinnigsten Dinge? Wer ist denn hier die Verrückte?« Sie wartete gespannt auf Paulas Reaktion auf dieses bewährte Reizwort. Aber die blieb aus. Doch Doris war noch nicht fertig. »Wo warst du denn in der Nacht, als Max verschwand? Bist du dir sicher, daß du ihn nicht in den See geworfen hast, als er dir auf einer deiner Mondscheinwanderungen begegnet ist? Du hast ihn doch auch gehaßt, gib’s zu.«
    Paula sagte nichts. Es war abzusehen gewesen, daß Doris eines Tages genau das sagen würde, es war ihr letzter und zugleich ihr höchster Trumpf, und noch bis gestern hatte Paula sich vor diesen Worten mehr gefürchtet als vor allem anderen. Doch jetzt fühlte sie nur einen stetig wachsenden Überdruß und eine unendliche Müdigkeit. Sie gähnte.
    Doris stand auf, beugte sich über Paula und flüsterte eindringlich: »Du hast Max getötet, Paula, du bist wahnsinnig. Du gehörst in eine Anstalt, wie dein Vater. Ich werde dafür sorgen. Ich werde Simon vor dir schützen, ehe du ihm auch noch etwas antust.«
    »Spar dir die Vorstellung«, sagte Paula kalt. »Mit der Platte kriegt ihr mich nicht mehr dran.« Sie sah Doris’ Gesicht dicht vor sich, die Züge verschwammen, reduzierten sich auf ihre Augen, in denen es jetzt feindselig blitzte. Paula versuchte, entschlossen zu klingen: »Ich habe genug von dir. Ich will jetzt ins Bett. Bitte geh.«
    »… Simon nicht selbst entscheiden«, hörte sie einen halben Satz, der erste Teil war irgendwie verlorengegangen.
    »Was?« Paula riß sich zusammen. Was war nur mit ihr los? Das Ganze wurde ihr zuviel, es überstieg offensichtlich ihre Kräfte.
    »Warum läßt du Simon nicht selbst entscheiden, bei wem er leben will?« wiederholte Doris Silbe für Silbe, als spräche sie zu einer Schwerhörigen. Schlagartig wurde Paula hellwach.
    »Du spinnst.«
    »Ach ja? Warum denn nicht, Paula? Weil du Angst hast, das ist es! Angst, daß er sich für mich entscheiden könnte …«
    Paula hörte die Worte nur noch von weit, weit her. Das war keine normale Müdigkeit. Doris’ Gesicht zerfiel plötzlich in Stücke und fügte sich wieder zusammen, wie die Teile eines Puzzles.
    »Dachtest du, ich würde ihn dir so einfach lassen, Paula?« drang ihre Stimme wie durch einen Nebel. Der Wein! fuhr es Paula in einem flüchtigen, glasklaren Moment durch den Kopf. Die Flasche Chianti, die angebrochen im Kühlschrank stand: Doris mußte sie da hineingestellt haben. Was für ein Zeug hatte sie hineingemischt, und woher konnte sie so genau wissen, daß ich ihn heute abend trinken werde?
    ›Weil sie dich und deine Gewohnheiten genau studiert hat, du naive Gans‹, sagte irgend etwas zu ihr. ›Sie kennt dich besser als du dich selbst.‹
    Ein Geräusch, da war ein Geräusch. Das Telefon! Paula stand auf. Sie hatte Probleme mit dem Gleichgewicht, das Zimmer begann sich zu drehen. Es klingelte, ständig klingelte es. Sie bewegte sich auf die Tür zu. Es klingelte. Sie ging schneller, dann merkte sie, wie sie über etwas stolperte und fiel, langsam, wie in Zeitlupe. Es klingelte immer noch. Nicht aufhören, bitte nicht aufhören! Konturen lösten sich plötzlich auf, Doris’ blaue Bluse erschien über ihr, sie wurde zu einem tiefen See, in den sie gleich versinken würde.
    »Das Telefon!« Sie rappelte sich hoch, wollte hinaus auf den Flur rennen. Sicher war das Jäckle. Er mußte sofort kommen. Sie fand die Tür nicht. Jetzt bloß nicht aufgeben, befahl sie sich, um Himmels willen, halte durch! Da, da war sie doch, die Tür, jetzt schnell … Sie hastete aus dem Zimmer hinaus und ergriff den Hörer. Aufgelegt. Paula legte den Hörer zurück und hielt sich am Weinregal fest. Doris war neben ihr.
    »Bist du zu spät gekommen, Paula?«
    »Das macht nichts. Du gehst jetzt besser. Der Jäckle kommt gleich, ich habe ihn vorhin angerufen.« Wie fremd ihre Stimme klang, wie hinter einer Glasglocke. Sie hörte nicht, was Doris antwortete. Ihr Kopf war so schwer. Sie spürte, wie sich ein Arm sanft um ihre Schultern legte.
    »Du … du has’ mir was in ’n Wein getan!«
    Auf einmal wurde ihr kalt. Sie merkte, daß sie eine Treppe hinunterstieg.
    »Komm. Paula!«
    »Lamich los! Die Polisei…« Das Reden wurde immer schwerer, Worte formten sich in ihrem Hirn, aber sie auszusprechen kostete unendlich viel Kraft. Ihr war kalt, eiskalt. Sie erkannte, daß sie am Fuß ihrer Kellertreppe stand, sie roch

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