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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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dem eben Erlebten, und sie fragte sich: Was in aller Welt macht eine blonde Perücke in Doris’ Mülltonne?
    Da, ein Gesicht in Großaufnahme, blitzblaue Augen unter weißblondem Haar, gelbe und schwarze Farbe auf den feisten Wangen: Max. Max, als Tiger geschminkt. Paula hielt den Atem an. Entsetzte Stille senkte sich über den Raum, in dem eben noch jedes Bild mit Kichern und entzückten Ausrufen kommentiert worden war. Kein Tuscheln, kein Rascheln, niemand bewegte sich, bis auf Annemarie Brettschneider, die sich rasch bekreuzigte. Schnell klickte die Kropp das Bild weg, vielmehr wollte sie es schnell tun, aber als ob Max sogar noch als Fotografie seine zerstörerische Wirkung auf die Dinge ausübte, klemmte der Schlitten des Projektors. Eine schier endlose Minute lang starrte Max die stumme Gesellschaft an, seine Augen, die eben noch ein wenig verschwommen waren, wurden zusehends klarer, der Blick schärfer, als wollte er seine Gegenüber hypnotisieren, was natürlich nur an der Hitze der Lampe lag, die das Dia verzog, doch veranlaßte es ein paar Frauen erschrocken die Luft einzuziehen.
    »Oh, mein Gott. wie schrecklich«, stöhnte es irgendwo, während die Kropp hektisch am Apparat fingerte. Endlich hatte jemand die erlösende Idee, das Licht einzuschalten, was Max sofort wie einen Geist verblassen ließ, und der Kropp beim Einrichten des verklemmten Schlittens zu helfen. Danach ging die Vorführung pannenfrei zu Ende. Man setzte sich im Kreis zusammen, es wurden Termine bekanntgegeben und über das Krippenspiel gesprochen, das die Kinder am Tag vor Heiligabend im Altersheim aufführen sollten. Kein Wort über Max.
    Die Praktikantin brachte einen Krug mit dampfendem, duftendem Glühwein herein, und die Frauen packten unter gegenseitigen Lobesworten ihre selbstgemachten Plätzchen aus – der gemütliche Teil nahm unaufhaltsam seinen Lauf. Paula hielt sich für die Dauer eines Glühweins an Karin Braun, die sich nach einer Tätigkeit als freie Mitarbeiterin beim Stadtkurier erkundigte. Nicht ganz uneigennützig redete Paula ihr gut zu, es zu versuchen. Die anderen Frauen sprachen nicht mit ihr. Es war eine eingeschworene Gemeinschaft, zu der Paula nicht gehörte, das machten ihr die Gesichter unmißverständlich klar, wenn sich zufällig einmal ihre Blicke kreuzten. Aber Paula war schon dankbar, daß es zu keinen offenen Feindseligkeiten kam. Sie verabschiedete sich gegen halb elf, als der zweite Krug hereingebracht wurde, die Wangen der Frauen bereits glühten und ihr Lachen an Schrillheit gewonnen hatte. Karin Braun nutzte die Chance und floh die Stätte heiterer Geselligkeit in Paulas Windschatten. Sie wohnte in der entgegengesetzten Richtung, und Paula bot ihr an, sie mit dem Motorrad nach Hause zu fahren. Sie benutzte das Auto immer noch nicht sehr häufig, sei es aus Gewohnheit oder aus einem gewissen Trotz gegenüber Lilli. Karin Braun willigte zögernd ein, da sie nicht gerne allein in der Dunkelheit unterwegs war, wie sie verschämt gestand.
    »Es war herrlich«, meinte sie vor ihrer Haustür, so als hätten sie eine Tagestour hinter sich. »Wissen Sie, früher war ich eine begeisterte Motorradbraut. Nur selber fahren, das habe ich mich nie getraut. Müssen Sie schon nach Hause, oder können Sie noch auf ein Glas Wein raufkommen? Mein Mann ist sicher noch auf.«
    Paula nahm die Einladung ohne lange zu überlegen an. Es gibt doch auch Leute, die ganz in Ordnung sind, dachte sie.
    Es war fast halb zwölf, als Paula die Brauns verließ. Sie hatte ein schlechtes Gewissen wegen Katharina, die doch morgen zur Schule mußte. Leise schnurrte die Maschine die leicht vereiste Straße entlang. In den meisten Häusern brannte kein Licht mehr.
    Nicht weit von ihrem Haus entfernt überholte sie eine Gruppe Frauen, die mit zügigen Schritten die Otto-Schimmel-Straße entlangmarschierten. Paula erkannte Ilona Seibt, Annemarie Brettschneider, Sabine Aschenbach, eine gewisse Petra Straub und noch zwei andere aus der Versammlung. Man sah die weißen Fahnen ihres Atems, wenn sie sprachen. Es hatte wohl noch ein, zwei Krüge gegeben. Aber wohin gingen die eigentlich so zielstrebig? Außer Annemarie Brettschneider wohnte keine der Frauen an diesem Ende der Siedlung. Und die Seibt würde doch wohl nicht zu Fuß, quer durch den Wald, bis zu ihrem Hof wandern? Paula fuhr weiter, rätselte noch eine Weile, während sie das Motorrad im Schuppen einschloß und ins Haus ging.
    Aus dem Wohnzimmer drangen stöhnende Laute: »Oh …

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