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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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wenn’s hart auf hart kommt, wirst du gegen die halbe Siedlung aussagen müssen. Überleg dir das gründlich.«
    »Man kann doch diese … diese Horde nicht einfach laufen lassen«, entrüstete sich Paula. »Das war ein glatter Mordversuch!«
    »Natürlich nicht. Aber vielleicht können wir dich da ganz raushalten. Ich denke dabei auch an Simon.« Jäckle seufzte. »Zur Zeit passiert reichlich viel für so ein Kaff. Und dabei habe ich mich auf diese Stelle beworben, um ein ruhigeres Leben zu haben.«
    »Wo warst du eigentlich vorher?«
    »Zuletzt in Nürnberg, bei der Rauschgiftfahndung. Zehn Jahre lang.«
    »Warum bist du da weg?«
    Jäckle goß sich erneut kräftig Rum in die Tasse. »Ich habe dort mit einer Frau zusammengelebt, noch nicht sehr lange. Sie hatte eine Tochter, gerade fünfzehn. Eines Nachts fanden wir sie in so einer einschlägigen Absteige, vollgepumpt mit irgend was. Im Krankenhaus ist sie drei Tage später gestorben. Da hat’s mir gereicht. Im Endeffekt ist man doch machtlos.«
    »Und die Frau?« fragte Paula zaghaft.
    »Wir trennten uns. Es war alles kaputt. Dann habe ich mich auf die ausgeschriebene Stelle als Erster Hauptkommissar von Maria Bronn beworben.« Er lächelte schief. »Aus Frust und einem Schuß Bequemlichkeit. Und natürlich das bessere Gehalt. Vielleicht auch die aberwitzige Vorstellung, hier sei die Welt noch ein wenig besser.«
    Paula sagte nichts. Jetzt wußte sie endlich, warum man Jäckle den »Rauschgifthund« nannte. Nein, Drogenprobleme gab es in Maria Bronn tatsächlich weniger als anderswo. Dafür verschwanden hier kleine Kinder. Müßte sie nicht Jäckle von ihrem Gespräch mit Bosenkow erzählen? Auf keinen Fall, dachte sie in Panik. Jäckle durfte niemals erfahren, daß sie in jener Nacht im Garten gewesen war. Bosenkow hatte bis jetzt darüber geschwiegen, aber würde er es auch noch tun, wenn Jäckle ihn aufgrund ihrer Aussage erneut vernehmen und womöglich wieder einsperren würde? Zudem hatte sie das logisch nicht zu begründende, aber um so stärkere Gefühl, wenn sie erst einmal davon redete, würde Jäckle ihr das, was außer dem Gespräch noch an diesem Nachmittag geschehen war, im Gesicht ansehen, und der Gedanke behagte ihr überhaupt nicht.
    Jäckles Gedanken mußten gleichfalls abgeschweift sein, denn auf einmal fragte er: »Was macht denn Doris?«
    »Sie kümmert sich ab und zu um Simon, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Zur Zeit ist in der Redaktion die Hölle los.«
    »Du läßt Simon bei Doris?« Es klang etwas beunruhigt.
    »Wieso nicht? Er mag sie, und ihr hilft es, drüber wegzukommen, das sagt sie selbst.«
    »Der kleine Tyrann ist tot, und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen.«
    »Jäckle!« Paula schlug auf die Tischplatte, daß die Tassen klirrten. »Spar dir deinen Sarkasmus!« Ihre Empörung war nicht ganz so echt, wie sie vorgab, aber Jäckle beachtete es gar nicht.
    »Dieser Max …« brummelte er vor sich hin. »Ich vermute stark, daß er die Ehe seiner Eltern auf dem Gewissen hat.«
    »Schon möglich.«
    Sein Gesichtsausdruck war auf einmal abwesend. »Bei den Wölfen«, verkündete er grüblerisch, »werden Junge, die sich asozial verhalten, von den eigenen Eltern umgebracht. Das verlangt das Gesetz des Rudels von ihnen, zum Schutz der Gemeinschaft. Hast du das gewußt?«
    »Nein, habe ich nicht«, antwortete Paula und stand mit einer heftigen Bewegung auf. »Wenn’s dir nichts ausmacht, würde ich jetzt gerne schlafen gehen.«
    Jäckle ignorierte den kühlen Ton, leerte seine Tasse in einem Zug und sah im Aufstehen auf seine Armbanduhr. »Du hast recht, schon fast zwei. Morgen wird ein anstrengender Tag.«
    Im Hinausgehen passierte es, daß Jäckle auf eine beiläufige Art den Arm um Paula legte. Die Geste erinnerte Paula so ungemein heftig an Bosenkows erste Berührung, daß sie einen Moment lang glaubte, sich in einem Tagtraum zu befinden. Sie schloß verwirrt die Augen. Seine Lippen fühlten sich fest und trocken an, es war ein ruhiger, entspannter Kuß, forschend und gleichzeitig vertrauenerweckend. Danach führte Paula ihn wortlos zur Haustür und gab ihm seinen Mantel. Unter der Tür sogen sie gierig die naßkalte Nachtluft ein, als könnte eine Prise davon Klarheit in ihre wirren Köpfe bringen. Jäckle fragte: »Was meinst du, sollten wir irgendwann mal miteinander schlafen?«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Paula, »ich verliere nicht gern einen Freund.« Dann fiel die Tür zu, und Jäckle hörte, wie der

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