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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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gingen als Prinzessinnen, viele von ihnen, zu viele. Paula fand sie noch schlimmer. Die kindlichen Gesichter von grellem Make-up zur Fratze entstellt, wagten sie anfangs kaum zu essen oder herumzutoben, aus Furcht, die Pracht könnte Schaden nehmen. Dazu die verzückten Gesichter der Mütter! Paula suchte in ihnen ebenso verzweifelt wie vergeblich nach einer Spur von Mißfallen und Besorgnis.
    Die Kapelle spielte den Ententanz, von der Decke hingen bunte Kreppgirlanden. Warum bloß machten Paula Faschingsbälle so melancholisch?
    Zwei Tische weiter saß die Tochter von Karin Braun und gab Anlaß zur Hoffnung: Eine wilde Piratin mit geschwärztem Gesicht, einem großen Plastiksäbel, Augenklappe und Hakenhand, sie stopfte sich gerade einen ganzen Faschingskrapfen in den Mund. Karin Braun war inzwischen freie Mitarbeiterin beim Stadtkurier , und zwar ausschließlich für den Kulturbereich. Paula hatte dem Schulze energisch verboten, Frau Braun mit langweiligen Stadtratssitzungen oder ähnlichem zu vergraulen, denn sie schrieb recht brauchbar und nahm Paula etliche lästige Termine ab.
    Eben kamen Doris und Simon, beladen mit Krapfen, Kaffee und Limonade, an den Tisch zurück. Simons Pumuckelkostüm mußte es irgendwo im Sonderangebot gegeben haben, denn es wuselten noch mindestens vier Kinder mit roten Perücken und schlabberigen Latzhosen durch die Turnhalle der Grundschule. Die Schulkinder bis zur vierten Klasse feierten gemeinsam mit dem Kindergarten Fasching, so wie jedes Jahr, am rußigen Freitag.
    »Was für ein Gedrängel!« Die rosige, tüllverschleierte Fee Doris verteilte ihre guten Gaben. Simon biß in seinen Krapfen, er hatte das falsche Ende erwischt, und hinten quoll die rote Himbeermarmelade aus dem Teig. Paula wandte den Kopf ab und schluckte. Himmelherrgott, es ist bloß Marmelade, sagte sie sich streng. Zwei Cowboys forderten Simon auf mitzukommen, Indianer jagen. Simon sprang auf und hinterließ eine Schweinerei am Tisch, Paula verkniff sich eine Bemerkung, während Doris, wie immer hatte sie an alles gedacht, die Marmelade, den Zucker und die Limonadenreste mit einem feuchten Papiertuch aufwischte, das sie aus ihrer Tasche zauberte. Ihr Feenschleier hing dabei in den Kaffee, doch Paula sagte nichts. Ein kleiner Chinese blies Paula eine Luftschlange entgegen, und sie drapierte sich den kläglichen Fetzen Papier um den Hals. Zu spät hatte sie sich Gedanken um ihr Kostüm gemacht, sie trug lediglich ein altes, rotweiß geringeltes T-Shirt, für das Klaus in seinem neuen Singleleben wohl keine Verwendung mehr gesehen hatte. Nicht eben das Originellste, wie sie sich eingestand. Doch Doris hatte sie gerettet, wieder einmal, indem sie ihr dazu ein kunstvolles Pierrot-Gesicht malte. »Endlich rentiert sich dieser Maskenbildnerkurs mal, den ich eigentlich wegen des Theaterspielens gemacht habe«, meinte sie, und: »Hast du in deiner Jugend mal geboxt?«
    »Wieso?« fragte Paula indigniert.
    »Weil deine Nase ein kleines bißchen schief ist.«
    »Sag’s keinem«, bat Paula augenzwinkernd. »Es ist wie mit einem Fehler im Strickmuster: Wenn man den einmal entdeckt hat, sieht man ihn immer wieder.«
    Aus Paula wurde ein ernster Clown, fast traurig, fand sie, aber sie fühlte sich wohl und geborgen hinter der Schicht aus weißer Farbe.
    »Eben bin ich der Brettschneider in die Fänge geraten«, stöhnte Doris. »Drum hat’s so lang gedauert. Sie hat mir erzählt, daß dieser Russe wieder da sein soll. Angeblich hat er sich jetzt in der alten Ziegelei eingenistet. Stell dir vor, sie war heute beim Jäckle und hat sich erkundigt, ob man dagegen nichts machen kann.«
    »Die hat’s grade nötig«, entgegnete Paula und merkte, wie sie unter ihrer Schminke errötete.
    Er war wieder da.
    »Auch einen Krapfen?«
    »Hm, was? Nein, danke.«
    Draußen war es sonnig und warm, weshalb die Kinder abwechselnd im Saal und vor der Tür herumrannten. War das nicht eben Simon gewesen? Nein, es war ein anderer Pumuckel.
    »Doris, wo ist denn Simon?« schrie Paula heiser, denn die Kapelle fing eben wieder an zu lärmen.
    »Ich glaube, da hinten, bei der Tombola. Ich muß mal für kleine Mädchen.« Doris leerte ihren Kaffee und strebte in Richtung Toilette. Paula verharrte eine Weile allein am Tisch, dann setzte sie sich zu Karin Braun.
    »Was machen die Theaterproben?« fragte sie Paula.
    »Es wird.«
    Annemarie Brettschneider und Ilona Seibt kamen an ihrem Tisch vorbei. Alle vier taten, als würden sie einander nicht

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