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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Und garantiert hatte Siggi auch schon seinen dämlichen Witz angebracht, um den kein neues Theatermitglied herumkam: »Barbara ist der Kopf unserer Truppe, Gudrun das Herz, Erich die Brieftasche, und ich, ich bin der Arsch.«
    Man versorgte sich mit Kaffee, wegen der Kälte kippten einige einen Schuß Rum in ihre Tasse, dann fand die übliche Runde um den weißen Tisch zusammen. Der Neue saß auf Vitos Platz. Paulas Hände waren klamm.
    »Wo ist denn unser spezieller Freund?« fragte Siggi.
    »Der kommt doch immer zu spät. Wir sollten anfangen.« Das war Doris. Ihre Unbefangenheit nötigte Paula Bewunderung ab.
    »Genau. Im übrigen wird der schon wissen, warum er nicht kommt. So, wie er sich das letzte Mal aufgeführt hat, hat er bei mir sowieso endgültig verschissen. Auf eitle Selbstdarsteller können wir gut verzichten.«
    Über Tote nichts Schlechtes, dachte Paula, und für einen winzigen Moment zuckte ein ironisches Lächeln um ihre Mundwinkel.
    »Ich sehe, das erleichtert dich«, sagte Siggi. Paula fuhr zusammen. Meinte er sie? Ja, er sah ihr direkt ins Gesicht.
    »Unsinn«, murmelte sie. Ein Eiszapfen fuhr ihr den Rücken hinunter. Lieber Himmel, das stehe ich nie durch!
    »Glaubt ihr wirklich, er kommt gar nicht mehr?« meinte Barbara mit weidwundem Blick.
    ›Woher soll ich das wissen«, antwortete Siggi, »wenn nicht mal du es weißt.«
    Die zukünftige Bürgermeistersgattin sah sich genötigt, ihre Tugend zu verteidigen: »Du brauchst gar nicht so zweideutig zu grinsen, Siggi! Ich hatte nie etwas mit Vito, das möchte ich hier ein für allemal klarstellen.« Mit einer würdevollen Bewegung ordnete sie ihr stets eine Nuance zu schwarz gefärbtes Haar und fügte lächelnd hinzu: »Obwohl ich durchaus die Gelegenheit gehabt hätte.«
    »Hatten wir die nicht alle?« gab Siggi prompt zurück.
    Sie begannen mit den Leseproben. Eine Farce, wie jedes Jahr, dachte Paula verächtlich. Diesmal machte es wenigstens ein bißchen Sinn, denn man wollte den neuen Mann hören. Paula und Doris mußten abwechselnd den Part der Margaret lesen, in Paula reifte der Verdacht, Doris stelle sich mit Absicht etwas unbeholfen an. Nein, sie stellte sich sogar reichlich unbeholfen an, leierte den Text herunter wie ein Erstkläßler ein Muttertagsgedicht. Schließlich machte Siggi dem ein Ende: »Doris, wie wäre es, wenn du diese Schwester spielst, du weißt schon, Mae, dieses schrille, nervige Muttertier, inmitten ihrer Schar von halslosen Ungeheuern, wie es hier so schön heißt. Wäre das eine Herausforderung?« Erst durch das synchrone Luftanhalten der anderen wurde er sich bewußt, daß er bereits bis zum Hals im Fettnapf stand.
    »Bitte, Siggi«, unterbrach Doris seine Entschuldigung, die noch ungeschickter ausfiel als seine vorigen Bemerkungen, »du mußt dich nicht entschuldigen. Das wenigste, was ich im Moment vertragen kann, ist eine Sonderbehandlung.« Sie schloß kurz die Augen, wie um Kraft zu tanken, dann lächelte sie verkrampft. »Ja, ich werde diese Mae spielen. Das ist eine witzige kleine Rolle, genau das, was ich mir vorgestellt habe. Mir geht es im Moment mehr ums Dabeisein als um große Auftritte.«
    »Wunderbar.« Die Luft wich aus Siggis schmalem Brustkorb wie aus einem Ballon. »Nun zu dir, Paula. Wenn ich dir unsere neue Errungenschaft Rainer als Partner anbiete – natürlich unter Vorbehalt, ich muß ihn erst mal spielen sehen –, wärst du dann bereit, die Maggie zu spielen?«
    »Nein, ich habe dir doch schon gesagt, ich kann Simon nicht …«
    »An dem soll’s nicht liegen«, unterbrach Doris eifrig. »Ich werde bei ihm babysitten. Meine Rolle ist so klein, ich muß garantiert nicht bei jeder Probe da sein, oder, Siggi?«
    »Nein, natürlich nicht. Wenn du und Paula euch diesbezüglich einigen könntet, wäre ich sehr dankbar.«
    Paula fing einen Blick von Doris auf, der den anderen nichts sagte, ihr aber sehr viel. Wie an einem Faden folgten ihre Augen denen von Doris, die sich über die anderen hinweg auf die Tür des Requisitenraums richteten. Dann wandte Doris abrupt den Kopf und sah Paula direkt an. Paula wußte, jetzt saß sie in der Falle.
    »Na, Paula, was ist?«
    »Ja, aber …«
    »Herrlich!« Siggi sprang auf, vollführte einen Kniefall vor ihrem Stuhl und küßte ihr übertrieben schmatzend die Hände. »Ich danke dir, du bist unser aller Rettung!« Paula sah auf ihn hinunter und bemerkte, daß sich sein dunkles Haar um den Wirbel herum stellenweise lichtete, als wäre er gerade in der

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