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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Angst. Vorsichtig kroch er hinter der Kabelrolle hervor und schielte über die Ladeklappe auf die Straße. Wie schnell die graue Fläche vorbeiflitzte. Er wagte nicht abzuspringen. In immer größerer Ferne sah er die grüne Kuppel der Marienkapelle, den markanten Punkt, an dem er sich auch sonst beim Autofahren stets orientierte. Das Auto fuhr jetzt auf der Straße, die man fahren mußte, um Tante Lilli zu besuchen. Aber was war das? Der Motor klang auf einmal anders, nicht mehr so gleichmäßig, es ruckelte. Der Wagen wurde langsamer. Der Wagen stand. Simon hörte ein Pfeifen. Ein Zug! Das war die Bahnschranke! Wieselflink stieg er über die Ladeklappe und sprang auf die Straße. Außer dem Lieferwagen hielt kein Auto an der Schranke, aber aus der Ferne, hinter der Kurve, näherte sich bereits eines. Um auch von diesem fremden Fahrer nicht entdeckt zu werden, hechtete er mit einem gewaltigen Sprung in den Straßengraben. Nein, so leicht würde er es den Männern nicht machen. Er duckte sich hinter verdorrtem Gras vom letzten Sommer, roch die Abgase der wartenden Wagen, inzwischen waren es schon vier, und verkniff sich unter größter Anstrengung ein Husten. Ihm war heiß. Er riß sich die Perücke vom Kopf und warf sie neben sich in den Graben. Ein Cowboy trug so etwas nicht! Das Ding war sowieso schuld an allem. Wieso durfte ich kein Cowboy sein? Was hatten Mama und Doris nur gegen Pistolen? Aber jetzt hatte er ja eine, und das war gut so, auch wenn sie leider nicht knallte.
    Die Schranke ging hoch mit fröhlichem Gebimmel, die Wagen fuhren an. Simon wartete, bis kein Auto mehr zu hören war, dann stand er auf und blickte sich um. Er stand am Waldrand. Ein winziges Stück Dach von der Marienkapelle konnte man durch die Bäume schimmern sehen. Er kannte sich aus, auf der anderen Seite dieses Waldes war sein Zuhause. Jetzt mußte er nur die Schienen überqueren, ein Stück die Straße entlanggehen, dann den Waldweg nehmen, der hinter der Kapelle endete. Von da aus würde er zum Kindergarten zurückfinden.
    Vielleicht hatte seine Mutter noch gar nicht bemerkt, daß er fort war. Wenn doch, ob sie wohl schimpfen würde? Sein Mut sank. Sicher würde sie. Er hörte einen Wagen näherkommen und duckte sich erneut tief ins Gras. Dann, als es wieder ruhig war, lief er mit eiligen Schritten in den Wald. Bis zu dem breiten Weg würde er hier entlanggehen, zwischen den Bäumen, wo ihn die fremden Männer in den Autos nicht sehen konnten. Tapfer kämpfte er sich voran, stolperte über dornige Äste und erschrak, als ein Eichelhäher einen krächzenden Laut ausstieß. Ängstlich vermied er es, zu weit in das geheimnisvolle grüne Dunkel vorzudringen. Er blieb lieber am Rand, wo er den schmalen Streifen Wiese und die Straße noch sehen konnte. Wenn ein Wagen kam, brauchte er sich ja nur hinter einen Baum zu stellen. Ob ihn seine Mama und Doris wohl schon suchten? Aber sehr lange war er noch nicht weg. Wenn er bloß nicht solchen Durst hätte!
    Er erreichte den Waldweg. Hier war er schon oft mit seiner Mutter und mit Doris und Anton spazierengegangen. Anton! Wenn der jetzt hier wäre, dann bräuchte er überhaupt keine Angst zu haben. So aber zögerte er, diesen dunklen, schattigen Weg weiterzugehen. Was, wenn doch eine Hexe käme? Oder ein Riese? Ein Wildschwein, ein Wolf … da hinten, dieser Schatten, war das nicht ein Kobold, der auf einem Stein saß? Simon fühlte Tränen aufsteigen und schluckte sie tapfer hinunter. Er nahm vorsichtshalber den Revolver aus dem Gürtel. Singen! Wenn man sich fürchtet, soll man etwas singen, so eine Geschichte hatte Tante Jutta im Kindergarten vorgelesen, von einem Jungen, der sich nachts fürchtete und sang. Mit piepsiger Stimme begann Simon: »Probier’s mal … mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und …«
    Hatte da nicht gerade ein Ast geknackt? Singen! Singen und Weitergehen!
    »… wirf alle deine Sorgen über Bord, jappa-duh …«
    Der Weg beschrieb eine scharfe Biegung. Was mochte dahinter auf ihn warten?
    »… und wenn es dann … gemütlich ist, und etwas appetitlich ist …«
    Da stand der Riese. Simon erstarrte. Zum Weglaufen war es zu spät, das wußte er instinktiv. Er zielte mit dem Revolver auf ihn. Wenn er doch nur noch ein einziges Mal knallen würde! Jetzt trat der Riese unter dem Baum hervor. Nein, so groß war er gar nicht. Es war ein Mann. Ein böser, fremder Mann! Simon stieß vor Angst einen wimmernden Laut aus. Der Mann kam langsam auf ihn zu.
    »Simon!« Mit einem

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