Mordspech (German Edition)
aktiv sei«.
Claudine redet sich heraus, tut so, als handle es sich um eine Verwechslung. Doch der Unbekannte macht unmissverständlich klar, dass er sie, sollte sie sich einer Zusammenarbeit verweigern, auffliegen lassen wolle. Ob sie will oder nicht, Tante Tilly ist nur knapp drei Jahre nach dem Ende der DDR wieder im todbringenden Geschäft.
»Ich habe Kinder«, erklärt sie mir. »Was hätte ich denn tun sollen? Wer einmal da drinsteckt, kommt nicht wieder heraus. Ich musste mich fügen.«
Ihr erster Auftrag ist die Eliminierung eines Stasi-Überläufers an der NATO -Zentrale in Brüssel. Anderthalb Jahre später tötet sie in Madrid zwei leitende Angestellte des spanischen Kommunikationskonzerns Telefonica und einen Vertreter der libyschen Botschaft in Bonn.
Zurück in Berlin, meldet Claudine Stamm ihre Kinder bei den »Stoppelhopsern« an, weil sie inzwischen für einen süddeutschen Generikahersteller tätig ist, der sein neues Hauptstadtbüro ganz in der Nähe, am Kleistpark, hat.
Ein weiteres Jahr später wird auf dem Alexanderplatz ein libanesischer Waffenhändler erschossen. Danach wird es hektisch: erst der irakische Diplomat in Köln, dann die zwei Russen in Hamburg. Und jetzt der Journalist Fritz Kawelka.
Claudine Stamm lächelt mich unsicher an. Sie wirkt erleichtert, scheint froh zu sein, dass es endlich vorbei ist.
»Hat denn dieser Meyer überlebt?«
»Knapp«, antworte ich. »Er liegt im künstlichen Koma. Wir wissen noch nicht, ob er’s schafft. – Und wer ganz gewiss nicht überlebt hat, ist der Fahrradkurier Adolf Borngraeber. Ein völlig unschuldiger Mann. Auch der geht auf deine Kappe, Claudine.«
Sie nickt. Der Fahrradkurier tue ihr leid, auch wenn er Adolf hieß. Aber der sei so plötzlich im Visier aufgetaucht, da war nichts mehr zu machen.
»Das war Mordspech, leider! Wie der ganze Auftrag. Ich hätte es wissen müssen.«
»Gut«, sage ich, obwohl nichts gut ist. »Was weißt du über deine Auftraggeber?«
»Nichts«, antwortet sie. Das sei in dem Job eine Lebensversicherung, nichts zu wissen. Gar nichts. »Dann kannst du niemandem gefährlich werden.«
Außer den Opfern, denke ich. »Wie lief der Kontakt?«
»Telefonisch«, antwortet sie. Über ein Prepaidhandy und diverse Telefonzellen. Es wurde nie länger als eine Minute gesprochen. Keine überflüssigen Fragen nach dem Warum. Lediglich Name und Aufenthaltsort der Zielperson, mehr brauchte sie nicht. Die Prepaidkarten wurden regelmäßig gewechselt, die Nummer blieb dieselbe. So blieb sie auch für ihre Auftraggeber anonym. Der Job wurde erledigt, und das war’s.
»Und das Geld«, frage ich, »du hast doch Geld dafür bekommen, oder?« Vielleicht kommt man ja über diese Schiene an die Auftraggeber ran.
»Natürlich. Das Honorar war immer im Voraus fällig«, antwortet Claudine Stamm, »in bar. Es wurde meist in öffentlichen Toiletten deponiert. Meist Bahnhofsklos oder Zugtoiletten. Den genauen Übergabeort habe immer ich bestimmt, und meist war ich schon da, wenn das Geld versteckt wurde. Im Spülkasten, hinter den Verkleidungen, das kam auf die Gegebenheiten an. Wenn ich sicher war, dass mich niemand beobachtet, habe ich mir das Geld geholt. Einmal war dort ein Peilsender versteckt. Aber das habe ich gemerkt. Ich weiß nicht, wer da an mich ranwollte.«
Es klopft an der Tür, und Kriminaloberrat Palitzsch steckt den Kopf herein. »Entschuldigung, aber …«
Ich ahne, was kommt. »Draußen sind die Herren Goerdeler und Paulsen?«
Palitzsch nickt. »Zusammen mit einem Staatssekretär aus dem Innenministerium. Sie werden die Befragung der Verdächtigen im Bundeskriminalamt in Wiesbaden fortsetzen.«
»Natürlich.« Ich erhebe mich. Ich kann ja sowieso nichts dagegen tun. Damit mir die Fäuste nicht ausrutschen, stecke ich die Hände ganz tief in die Taschen und warte.
»Irgendwann«, sage ich laut, als die BKA -Beamten eintreten, »irgendwann wird euch die Wahrheit schon noch um die Ohren fliegen. Da bin ich ganz sicher. Irgendwann kommt alles raus.«
»Das wollen wir doch schwer hoffen, Knoop.« Goerdeler baut sich vor mir auf und lächelt fein. »Übrigens: Sie haben ein hübsches Häuschen da oben am Bodden. Vermieten Sie das manchmal?«
»Nicht Ihnen, Goerdeler.«
»Schade.« Er reicht mir die Hand. »Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Sie und Ihre Kollegen. Vielleicht kommen wir ja mal wieder zusammen.«
Bloß nicht, denke ich und ignoriere seine Hand. »Hauen Sie ab! Mit Ihnen habe ich schon
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