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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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verschlechtert? Besorgt stürme ich durch Gänge an geschäftigen Ärzten und Krankentragen vorbei zum Glaskasten der Anmeldung. Dort wird mir ein Telefon entgegengehalten: »Herr Knoop? Dringender Anruf für Sie!«
    Am anderen Ende der Leitung ist Hünerbein. Mein übergewichtiger Kollege von der Mordkommission.
    »Du hast sie doch nicht mehr alle«, nölt er drauflos: »Wieso verlässte denn den Tatort, bevor die Spusi da ist?«
    »Melanie wurde verletzt«, verteidige ich mich, denn es ist ja wohl ganz normal, dass ich mich zuerst um meine Tochter kümmere.
    »Und warum machste dein Handy nicht an?«
    »Weil man im Krankenhaus mobil nicht telefonieren darf«, erkläre ich ihm, »von wegen Funkwellen und so. Die stören die Instrumente. Wie im Flugzeug. – Und was heißt überhaupt Tatort?«
    »Na, ein harmloser Unfall ist das hier nicht«, Hünerbein klingt ziemlich aufgeregt: »Oder was glaubst du, was den Fahrradkurier vom Drahtesel geholt hat?«
    »Keine Ahnung.«
    »Eine Patrone. Der Mann wurde mit einem gezielten Kopfschuss getötet. Und nun komm in die Puschen, wir brauchen dich hier.«
    Was denn noch alles, denke ich genervt. Monika kämpft unerreichbar an der Oderflut, und Melanie liegt hier mit schwerem Schock, weil vor ihrer Haustür ein Fahrradkurier ermordet wurde. Erschossen am helllichten Tag, es ist echt nicht zu fassen!
    »Ihre Tochter befindet sich im Schockraum.« Die Schwester ist zurück. »Wollen Sie sie sehen?«
    »Natürlich. Und was bitte ist ein Schockraum?«
    »Halb so wild«, die Schwester lächelt beruhigend, »da hat sie ihre Ruhe. Kommen Sie!« Sie läuft vor mir her den Gang hinunter und öffnet eine Tür. »Bitte!«
    »Danke.« Ich trete in den Raum. Es ist sehr hell hier und alles weiß; die Wände, die Zimmerdecke, die Vorhänge an den Fenstern. Man fühlt sich wie in einer Schneelandschaft. Der einzige Farbfleck ist Melanies Gesicht. Es ruht mit friedlich geschlossenen Augen auf einem weißen, frisch gestärkten Kopfkissen in einem weiß bezogenen Bett. Daneben hängt in einem Ständer eine Flasche, aus der beständig Flüssigkeit in einen Plastikschlauch tropft. Er ist über eine Nadel mit dem Arm meines Kindes verbunden … Fragend sehe ich die Schwester an.
    »Eine Injektion«, erklärt sie mir. »Damit stabilisieren wir den Kreislauf. Außerdem haben wir ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Schlaf ist die beste Medizin.«
    Mein armer, kleiner Spatz. Melanie schläft wie ein Kleinkind, so zart und zerbrechlich. Liebevoll streiche ich ihr das dunkle Haar aus der Stirn.
    »Wir werden sie die Nacht über zur Beobachtung hierbehalten.« Die Schwester drückt mir eine Plastiktüte mit Melanies blutverschmierten Kleidern in die Hand. »Wenn Sie sie morgen abholen, bringen Sie ihr bitte frische Wäsche mit.«
    »Ja, natürlich.« Ich sehe bekümmert auf Melanie. Der Tropf macht mich nervös. So was kenne ich nur aus Filmen, und da haben das immer die ganz schwer Verletzten. Ich dagegen darf Melanie morgen abholen. Dann wird es wohl wirklich nicht so schlimm sein. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und verabschiede mich: »Bis morgen, Spatz!«

4    MIT EINEM TAXI geht es zurück in die Belziger Straße. Inzwischen ist der gesamte Fußweg vor dem Haus abgesperrt und die Menschenmenge drum herum größer geworden. Auf Leitern, Klappstühlen und Bäumen drängeln sich die üblichen Freiberufler und versuchen, mit Fotoapparaten und Kameras ein paar Bilder zu machen. Sogenannte freie Fotoreporter, Paparazzi, die Tag und Nacht den Polizeifunk abhören in der Hoffnung auf eine Sensation, auf einen Unfall, ein Verbrechen. Und wenn irgendwo etwas passiert, fahren sie los, rasen, sämtliche Verkehrsregeln ignorierend, durch die Stadt und sind oft noch vor den Einsatzkräften vor Ort. Der Schnellste gewinnt. Die Konkurrenz schläft nicht, und nur wer als Erster ein spektakuläres Foto, eine erste sensationelle Filmaufnahme vom blutigen Geschehen an die Presse liefert, kann den Preis dafür bestimmen. Es ist ein harter, ein unbarmherziger und skrupelloser Job.
    Ich schiebe mich durch die Menge der Schaulustigen, zücke meinen Dienstausweis und tauche unter der Polizeiabsperrung durch. Die Bullis der Kriminaltechnik versperren den Bürgersteig. Spurensicherer in weißen Overalls markieren den Tatort mit weißen Nummernschildchen. Die Rechtsmediziner Professor Dr. Hubertus Graber und Dr. Armin Kurzweil stehen fachsimpelnd um den noch immer unverändert am Boden liegenden toten

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