Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
Niemann höchst einflussreiche Bekanntschaft. Zuvor müssen wir jedoch die Beziehung zur Fürstin Radziwill näher betrachten. Die alte Dame war ohne ihr Wissen und ihren Willen in eine Korrespondenz mit der edlen Fürstin geraten, die, immer inniger werdend, endlich in eine Art von Freundschaftsbund zwischen beiden, die sich nur aus ihren Briefen kannten, mündete.
Die Briefe der Fürstin atmeten sämtlich eine Güte und Herzlichkeit, wie sie auch in Romanen selten vorkommt, aber auch hier und da ihre reellen Zwecke hat.
So heißt es in dem einen: »Meine gute, liebe Niemann, allemal freue ich mich, wenn mein Jettchen mir einen Brief von Ihnen bringt. Aber, gute Niemann, warum sagen Sie mir so vielen Dank für das, was ich zu tun schuldig bin? Waren Sie denn nicht gegen mich so liebevoll und freundschaftlich, dass ich Ihnen das nie vergelten kann!« Die Fürstin verspricht Frau Niemann zudem, ihr teuren Stoff für einen neuen Sofaüberzug zu senden. Zum Schluss aber bittet sie, wenn die Niemann Pfandbriefe über verschiedene, kleinere Beträge habe, dieselben zu schicken. Sie werde diese zu einem guten Verkaufspreis gegen andere tauschen.
Die adlige Frau schüttete aber auch ihr Herz vertrauensvoll bei der neuen Freundin aus; sie machte sie zur Mitwisserin ihres Kummers:
»Meine gute, liebe Mamsell Niemann, ich wollte Ihnen endlich einmal sagen, was für ein freundschaftliches Gefühl ich für Sie beste Seele in meinem Herzen trage!
Sie nehmen an all meinen Schicksalen einen so innigen, so ungeheuchelten Anteil, und ich sollte Ihnen meine Dankbarkeit dafür nicht an den Tag legen? Gerne wäre ich schon zu Ihnen gekommen, meine Beste, um an Ihrer Seite, an Ihrem teilnehmenden Herzen meinen Kummer auszuschütten, allein meine Umstände wollen es mir nicht erlauben. Auch eine Fürstin kann sich in eine traurige Lage versetzt sehen, in eine solche Lage, die sie niemandem beschreiben darf, sondern ausharren muss, bis Gott sie ändert!
Unser Jettchen ist eine glückliche Braut! Wohl ihr, sie verdient es, glücklich zu sein, sie ist ohne Falsch und ein gutes Kind, ihre kleinen Faseleien habe ich von Herzen verziehen.
Jetzt, meine liebe Freundin, will ich Ihnen Lebewohl sagen, bald werde ich einmal bei Ihnen sein. Schreiben Sie mir ein Briefchen, und schicken Sie’s mir durch das gute Jettchen, nicht mit der Post, weil ich die Briefe von der Post nicht selbst öffne. Ich erwarte Ihren Brief mit Sehnsucht. Könnte ich Sie doch nur erst sprechen!
Ich fuhr kürzlich an Ihrem Haus vorbei und sah Sie mit einigen Damen vor der Tür stehen. Da wäre ich gern ausgestiegen, aber ich wollte Sie nicht stören.
Noch einmal: Leben Sie wohl, meine gute Mamsell Niemann, und erfreuen Sie bald mit einem Brief Ihre Sie aufrichtig liebende Freundin
Louise de Radziwill«
Über diesen seltsamen Brief mit der bedeutungsschwangeren Stelle »Auch eine Fürstin kann sich in eine traurige Lage versetzt sehen« gab Henriette der alten Dame auf Nachfrage eine für die Niemann zuerst überraschende Erklärung: Die Fürstin stehe gegen ihren Bruder Prinz August wegen Brillanten vor Gericht.
Deshalb befinde sie sich in Geldverlegenheiten und brauchegerade siebenhundert Taler, die sie nirgends auftreiben könne, wenn die Niemann ihr dieselben nicht verschaffen wolle.
Dass die edle Fürstin sich in einer solchen Lage befand, geht auch aus anderen Briefen an ihre Freundin hervor, die, beiläufig gesagt, wie die meisten Damenbriefe ohne Datum sind. In dem einen heißt es:
»Dass Sie betrübt sind, liebe Gute, kann ich mir sehr gut denken und es Ihnen nicht verargen, denn es geht mir ebenso. Ich muss mir das Meinige erbetteln und habe es vor Weihnachten nicht zu erwarten. Ich möchte gern reisen, doch der Monarch ist zu stur, um mir das Geld dafür zu geben.«
Die »gute Niemann« half der Fürstin aus ihrer Not, indem sie ihr siebenhundert Taler durch die Wilke übersandte. Das war nicht das letzte Mal. Die Korrespondenz zwischen beiden drehte sich von nun an um die drückenden Verhältnisse der Fürstin, um ihre Dankbarkeit, um ihre Geschenke, die sie Frau Niemann sandte, um ihre Wünsche, die Dame doch endlich einmal persönlich zu sehen – Wünsche, deren Realisierung aber immer etwas im Weg stand.
Da heißt es beispielsweise: »Von der Dankbarkeit Ihres Herzens bin ich fest überzeugt, und es tut mir weh, wenn Sie mir danken für das, was ich Ihnen zu geben schuldig bin. Die Reihe zu danken ist an mir.«
Die Fürstin will Frau Niemann
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