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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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wir Niemann genannt haben. Sie war eine durchaus achtbare, unbescholtene Dame und Tochter eines längst verstorbenen, hohen Beamten. Sie lebte von den Mieten ihres Hauses und von einem Vermögen von etwa zwölftausend Talern, das sie in Staatspapieren und Pfandbriefen selbst in Verwahrung hatte.
    Sie lebte zurückgezogen und genoss, weil sie niemandem wehtat und alle Verbindlichkeiten gewissenhaft erfüllte, die allgemeine Achtung, verbrauchte aber bei ihrer großen, an Geiz grenzenden Sparsamkeit nicht alle Einkünfte, sodass ihr Vermögen im Verlauf der Jahre noch anwuchs. Sie galt daher als sehr reich.
    Man konnte sie, wie auch die spätere Untersuchung ergab, nicht für eigentlich schwachsinnig erklären. Aber das Alter und die Zurückgezogenheit hatten sie, die immer schon etwas beschränkten Verstandes war, schwach gemacht. Misstrauisch war sie vor allem gegen ihre nächsten Verwandten. Sie freute sich zwar über deren Aufmerksamkeiten und Liebesbeweise, sah darin aber oft nur Zeichen einer klugen Berechnung und Spekulation auf ihr Erbe. Sie hatte ein schwaches Selbstgefühlund setzte ihr Vertrauen in Fremde, die sie nicht kannte und daher auch nicht fürchtete. Von den Ränken und Listen, die in der Welt vorkommen, hatte sie keinen Schimmer.
    Frau Niemann kannte Henriette Wilke seit der Geburt: Henriette war die Tochter des Hausdieners einer nahen Verwandten gewesen. Frau Niemann wurde die Patin des Kindes. Sie kümmerte sich umso mehr um das Kind, seit eine andere Dame, die sich der kleinen Henriette aus Mitleid angenommen hatte, Frau Niemann auf dem Totenbett bat, nun allein die Obhut über das Mädchen zu übernehmen.
    Henriette wurde also von Frau Niemann aufgenommen, bis man eine Stelle als Kindermädchen in einer reichen Bankiersfamilie in Berlin für sie fand. Das freundschaftliche Verhältnis änderte sich aber dadurch nicht. Henriette erzählte der alten Dame alles, was sie erlebte: von den Herrschaften im neuen, reichen Haus, den Spazierfahrten, die sie mit der Bankiersfamilie machte, und den interessanten und vornehmen Bekanntschaften.
    Dort lernte sie auch die Fürstin Radziwill kennen. Sie war von königlichem Geblüt und für ihre Leutseligkeit, Bildung und Wohltätigkeit bekannt. Dass sie sich der jungen, angenehmen Waise Henriette annahm, war daher kein Wunder. Sie hatte sich schon oft um Menschen aus dieser Gesellschaftsschicht gekümmert und für Erziehung und Fortkommen ihrer Schützlinge Sorge getragen.
    Henriette bat ihre Förderin nun, ihr dabei zu helfen, an einer Schule angestellt zu werden. Hierzu, behauptete sie, benötige sie ein gewisses Geldpolster. Auch Frau Niemann gab Henriette daraufhin fünfhundert Taler. Voll Dankbarkeit besuchte diese ihre Wohltäterin nun noch öfter, berichtete lebhaft von der Schule und bald, dass sie den Abschluss als Lehrerin nun geschafft habe. Sie habe dabei so gut abgeschnitten, dass man sich über ihre Fähigkeiten gewundert hätte. Fürstin Radziwill habe deswegen angeregt, dass Henriette noch etwas durch die Welt reisen sollte, um sich weiterzubilden.
    Sie reiste auch wirklich nach Hamburg ab, und während ihrer Abwesenheit empfing Frau Niemann den ersten eigenhändigen Brief von der Fürstin Radziwill. Da die Korrespondenz zwischen der Fürstin und der alten Dame später sehr lebhaft wurde, können wir nur einige dieser charakteristischen Briefe mitteilen. Wir halten es aber doch für angemessen, diesen ersten Brief, so weit er sich aus den von Staub und Alter angefressenen Aktenstücken herstellen lässt, ganz mitzuteilen.
    »Wertgeschätzte Mademoiselle Niemann.
    Erlauben Sie, dass ich Sie so nennen darf, denn ein Vertrauen verdient das andere.
    Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass die Schulübernahme unseres guten Jettchens (Henriette) in Ordnung geht und dass Sie, liebe Mademoiselle Niemann, die Sparbücher sowie die hundert Taler, welche die Schule als Pfand einbehalten hatte, am 1. Oktober zurückerstattet bekommen.
    Empfangen Sie meinen, des Schulrats und der Stadt allerherzlichsten Dank; denn durch Ihre große Güte, liebe Mademoiselle, haben wir etwas Großes zustande gebracht. Das Mädchen hat einen außerordentlichen gescheiten Kopf und hellen Verstand, sodass man bedauern muss, dass es kein Mann ist. Für König und Vaterland wäre das besser!
    Unser gutes Jettchen befindet sich jetzt in Hamburg bei Herrn Humbert; in den kommenden Tagen kehrt sie zurück. Wir haben Jettchen fünfhundert Taler vorgestreckt, es sind aber doch noch

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