Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
in den die Räder des Flugzeugs geklappt werden. Hier ist Platz genug für einen blinden Passagier, der aus einem armen Land ins goldene Florida fliegen möchte. Normalerweise stürzen Menschen, die sich dort verstecken, schon beim Start in die Tiefe, weil sie sich bei dem irren Gerüttel nicht festhalten können. Gelingt es ihnen aber doch durch einen Trick oder durch aus der Not geborene Kräfte, dann fallen sie spätestens beim Landeanflug entkräftet aus der Klappe, die bei größeren Maschinen fast einen halben Kilometer über der Erde geöffnet wird. Zu diesem Zeitpunkt ist ein blinder Passagier aber meist schon tot. Bei Temperaturen um minus fünfundvierzig Grad Celsius und einer Sauerstoffknappheit, die selbst Reinhold Messner nicht überleben könnte, ist das auch kein Wunder. Sollten Sie sich jetzt herausgefordert fühlen, so seien Sie trotzdem gewarnt: Auch mit Polarausrüstung und Sauerstoffflasche werden Sie vermutlich sterben: entweder an der Taucherkrankheit (zu schnelle Dekompression) oder durch Zerquetschen mittels der gewaltigen Hydraulikteile, mit denen die Räder eingeklappt werden.
So erklärte sich also der Leichenfundort mit all seinen Eigentümlichkeiten. Der Mann, der bis heute nicht identifiziert werden konnte, muss sich an irgendeinem kleineren Flughafen in Südamerika in die Räderkammer eines großen Passagierflugzeugs geschmuggelt haben.
Allzu lang kann der Flug nicht gedauert haben, da offenbar nur seine Haut richtig durchgekühlt war, während sein Körperinneres noch ein wenig Wärme halten konnte. Beim Landeanflug auf den Flughafen von Miami war er tot und recht steif gefroren aus der Kammer gestürzt, als der Pilot die Klappen öffnete. Eine Anfrage beim Flughafen bestätigte, dass dies etwa zehn Kilometer vom Airport entfernt geschieht, was mit dem Fundort der Leiche übereinstimmte. Der Körper fiel also ungebremst etwa fünfhundert Meter abwärts, genau in Richtung des wie jeden Morgen proper erwachenden West PalmBeach. »Diese Höhe«, erklärt Thogmartin, »reicht aus, um einen Menschen auf ungefähr zweihundertsechzehn Stundenkilometer zu beschleunigen. Durch diese hohe Geschwindigkeit hatte die Leiche auch die typischen Verletzungen, die bei Stürzen aus großer Höhe – also ab ungefähr zwanzig Metern – entstehen: viele Knochenbrüche und schwerste Organzerstörungen.«
So war es also um den bereits toten Fußballfreund auf dem Boden bestellt: Außen gefroren, innen noch halb warm, schlug er mit hoher Geschwindigkeit auf. Das war der Knall, den der Anwohner um sechs Uhr früh gehört hatte. Der Körper wurde auf dem Straßenbelag zerschmettert und dann – nun schon in Stücke zerlegt – in die Luft zurückgeworfen. Dabei wurden das Gehirn und andere Gewebeteile zerfetzt und verteilten sich vom Aufprallort aus in verschiedene Richtungen.
Abb. 55: Abgesplitterte Teile des Schädelknochens hatten eine derartige Beschleunigung, dass sie sogar kleine Krater in den Asphalt schlugen. (Foto: Jon Thogmartin)
Dass der Körper zuletzt halb unter der Stoßstange des Transporters lag, war reiner Zufall. Sowohl der Aufschlagspunkt als auch die Endlage der Leiche hätten ebenso gut nur wenige Meter entfernt im Schlaf- oder Wohnzimmer der entsetzten Anwohner liegen können. Dass die Wucht des Aufschlags gereicht hätte, um die in den warmen Gegenden der USA meist recht leicht gebauten Wände oder Dächer zu durchschlagen, zeigt eine letzte Beobachtung des Chief Medical Examiners: An mehreren Stellen fanden sich im Asphalt kleine Krater.
Sie enthielten kein Blut, ringsherum waren aber feine Blutspritzer zu erkennen, die von den kleinen Löchern wegführten. »Ich kann mir das nur so erklären«, sagt Thogmartin, »dass noch während des Aufschlags Knochenstückchen, wohl vom Schädel, abgesprungen sind. Sie waren noch so hoch beschleunigt, dass ihre Wucht genügte, um Löcher in den Asphalt zu schlagen.«
Zwei Tote, kein Schuss
Nicht nur Flugzeuge und deren Passagiere, sondern auch Schusswaffen können manchmal ein scheinbares Eigenleben entwickeln. Das gilt natürlich besonders für Gegenden, in denen sie weit verbreitet sind, beispielsweise in den USA. Dort werden jedes Jahr bis zu tausend Menschen
unbeabsichtigt
erschossen. Zum Vergleich: In Deutschland finden pro Jahr etwa vierhundert
vorsätzliche Tötungen
statt. Grob gesprochen, sterben in den USA also pro Kopf fast so viele Menschen durch unabsichtlich ausgelöste Schüsse, wie Personen in Deutschland mit Absicht auf
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