Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
zutreffendes Spezialwort dafür: Globohysterikus.)
Irgendwie scheine ich dabei unbewusst auch Rache an mir selber zu üben. Das erste Mal, dass es auftrat, dachte ich: »Vielleicht gut, dass du selbst einmal erfährst, wie es ist, keine Luft zu bekommen.« – Beruhigungsmittel, Schlafspritzen – es muss dann sein – und nach anderthalb Wochen habe ich wieder für ein halbes Jahr Ruhe. Dann geht’s prima. Ein halbes Jahr. Aber sorgen Sie sich deswegen bitte nicht. In der Beziehung bin ich hier in besten Händen.
Mit meiner Frau entwickelt sich alles bestens. Genau noch so, wie ich es Ihnen schrieb.
Operation: Wann, wo, wie, das darf ich laut meinen Ärzten nicht schreiben, obwohl ich es für Sie tun würde. »Auch dem besten Freund nicht.« Warum? Die Gründe der Ärzte respektiere ich. Darum nur: Ein Hoffnungsschimmer, nach viel zu vielem Nein . Dieses Jahr noch? Kann sein. Nicht viel mehr als eine Hoffnung, aber ich klammere mich natürlich daran. Drücken Sie mir bitte die Daumen. Es muss noch sehr viel gut gehen, wenn es überhaupt gut gehen soll. Bei Gelingen des Eingriffes ist mir Förderung und mehr zugesagt worden. Natürlich nach Vor- + Nachuntersuchungen. Wissen Sie, was solche Hoffnung in meiner Lage bedeutet? Man kann es kaum mit Worten sagen.
Unser Hauptablenkungsmittel hier ist das Fernsehen. Wir stellen fest, dass das Programm jeden Tag mieser wird. Aber auch im Strafvollzug, da stinkt wohl was. Es hat mich erschreckt. Vor ein paar Tagen ein Bericht in der Zeitung über das feste Haus in Düren (nach Aufdeckung will man sich ja um einen völlig neuen Umbau der Anstalt »bemühen«). Die vom Gericht eingewiesenen Patienten müssen zu zweit teilweise in Badewannen (!) schlafen, Besuch nur halbe Stunde mit Glastrennscheibe, sodass der Patient seiner Mutter nicht die Hand geben kann, Päckchenempfang verboten, um neunzehn Uhr ins Bett (Personalmangel), schlafen bis zu acht Mann in einerZelle, aus den unglaublichen Verhältnissen herrührende sexuell mehr als abartige Praktiken (psychologisch verständlich), keinerlei Therapie, daraus resultierende Festhalte-Haft zw. zehn und zwanzig Jahren (!!), auch bei harmlosen Fällen, usw. usw. Es ist zum Kotzen. Zeigt sich da unser demokratischer, humaner Staat? Doch wohl kaum. Aber immer wieder: Das Geld – das Geld – das Geld. – Da geht’s uns in Eickelborn doch besser?
Über Ihre Lehrgänge habe ich etwas gelesen. Es soll sehr anstrengend sein u. sich bei Einzelnen als Stress auswirken. Etliche Anwärter hätten schon aufgegeben. Aus psychischen Gründen, nicht aus physischen. Ein relativ geringer Prozentsatz werde nur bestehen, es sei ein unheimlich starkes Fordern des Einzelnen. Nun, Sie hängen da ja in der Mühle drin. Ist es wirklich so arg? Das würde mich mal interessieren. Hoffentlich muten Sie sich körperlich nicht zu viel zu. Aber das werden Sie ja zu steuern wissen. Sie wissen wohl genau, wie viel Sie sich auch psychisch zumuten können. So kenne ich Sie jedenfalls.
So, nun muss ich für heute aber langsam schließen. Es gibt auch gute Neuigkeiten: viermal Eis in den letzten Wochen, gutes Essen, viel Besuch (meine geliebte Tante Maria kommt am zwanzigsten, am Tag, wo meine Frau Geburtstag hat. Da ist dann wieder eine magische Vorstellung erster Klasse fällig. SCHADE, dass Sie nie was davon sehen könnten), Sonntage wie heute, an denen man sich erfreuen kann, Tischtennis, einmal pro Woche, Sport zweimal die Woche, Dr. med. Marcus Welby im Fernsehen usw. Morgen wird endlich wieder ein Zauberpäckchen mit neuen Tricks bei mir ankommen (klasse!!).
Wussten Sie, dass ich einen Namensvetter im Justizministerium habe? Ja, Bartsch heißt der gute Mann. So möchte ich schließen (es fällt mir schwer, wie Sie sehen) mit einigen Scherzworten, die ich letzte Woche gelernt habe: »Einfach nicht ignorieren« – »She has one in the crown« (Lübkeüber Elizabeth von England), »God shave the queen«, »Was Sie nicht will, das ich ihr tu, das führ ich einer anderen zu« usw.
1000 Grüße bis zum nächsten Mal
Ihr Jürgen
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Ohne Datum [Herbst 1974; M. B.]
Wie geht es Ihnen heute? Danke für Ihren letzten lieben Brief. Ohne Sensationen zu verraten, möchte ich Ihnen mitteilen, wie es um meine Op. steht. Sehr schlecht. Von zwei möglichen Städten eine Absage, die zweite reagiert nicht und wird nicht reagieren. Alles sieht danach aus, dass diese Operation nie geschehen wird.
Was das für mich bedeutet, bei strikter Weigerung
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