Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
Vom Netzwerk:
deutschsprachige amerikanische Journalist Paul Moor (
Das Selbstporträt des Jürgen Bartsch
, 1972) und noch weitere Personen, die den Mut hatten zu versuchen, eine Bestie zu verstehen. Selbst Kriminaloberrat Günther Bauer aus Recklinghausen fand, dass »Bartsch mit Sicherheit nicht nur eine Episode, sondern ein Symptom unserer Zeit ist, das der Menschheit ihr eigenes, unbewachtes Antlitz zeigt«. Ein solcher Satz von einem Mann des Rechts – das will schon etwas heißen.
    Bitte urteilen Sie selbst, ob Bartschs Texten nicht eine tiefe Wahrheit zugrunde liegt, auch wenn wir sie gesellschaftlich vielleicht nicht annehmen wollen oder können. Meiner Meinung nach ist es jedenfalls keinem paraphilen Täter vor Bartsch gelungen, derart schlüssig zu begründen, warum man ihm eigentlich unbedingt und mit allen Mitteln helfen sollte.
    Stilistisch fällt einerseits die Sachlichkeit auf, mit der Bartsch die Tötungen schildert, gleichzeitig aber die Inbrunst, mit der er in seinen Briefen für seine eigene Sache kämpft. Meiner Erfahrung nach ist das ein typisches Kennzeichen von paraphilen Tätern: Echtes Mitleid mit anderen kennen sie nicht; sie haben aber einen stark ausgeprägten Sinn für Ungerechtigkeit sich selbst gegenüber.
    Wenn Sie sich angesichts von Bartschs fürchterlichen Taten darüber ärgern, dass er in den Briefen über Kartentricks, seinen Namensvetter beim Amt und das Abnehmen plaudert und zudem unbedingt freikommen will, dann stellen Sie sich einfach vor, seine Forderungen nach Menschlichkeit würden von einer anderen Person gestellt, beispielsweise dem Papst, dem Bundespräsidenten oder dem Dalai Lama. Ändern sich dadurch die ethischen Maßstäbe – oder ist es nicht völlig egal, wer sie formuliert?
    Die Briefe beginnen, nachdem Bartschs Verteidiger Bossi im Jahr 1973 die Zerstörung der Triebregionen im Gehirn seines Mandanten durchfechten wollte. »Ich lief von Hölzchen zu Stöckchen«, erinnert sich der Strafverteidiger. »Manche Ärzte sagten zunächst zu, schreckten dann aber offenbar doch vor der Verantwortung zurück, die dieser triebhemmende ›weiße Schnitt‹ ins Gehirn mit sich bringt – gerade bei einem solchen Patienten.«
    Doch nach Bartschs Hochzeit im Januar 1974 legte sich der Anwalt erneut ins Zeug und fand an der Uniklinik in Homburg (Saar) ein Team, das die Verantwortung auf sich nehmen wollte.
    »Das war einer jener euphorischen Momente, in denen auch ein Anwalt den Hoffnungsschimmer zu sehen glaubt, es könne für seinen Mandanten am Ende doch noch eine anonyme, fernab vom Schauplatz aller Ereignisse anzusiedelnde, möglichst allseitig unbeachtete Zukunft geben.
    Aber kurz vor Weihnachten 1974 teilte das Ärzteteam mit, Jürgen Bartsch sei ›inoperabel‹. Es müsste durch eine Hirnoperation nicht wie in anderen Fällen nur das Erotisierungszentrum ausgeschaltet werden, sondern zusätzlich das Zentrum für den allgemeinen Antrieb und für die tätige Gedankenbildung, das heißt für die Fantasie.«
    Mit anderen Worten: Aus dem nach Besserung lechzenden Serientäter Bartsch wäre wirklich eine Puppe geworden, allerdings nicht die von Mutter Bartsch gewünschte Version, sondernein hirnloses Abbild. Eine solche Zombifizierung lehnten die Ärzte zu Recht ab, und die von Bartsch im Brief vom 5. April zitierte Äußerung »Wollen Sie sich im Gehirn rumrühren lassen?« wirkt völlig nachvollziehbar. Denn Bartsch hätte durch die OP nicht nur seine Zwänge, sondern auch seine übrige Persönlichkeit verloren.
    25. Juni 1974
    Vielen Dank für Ihren letzten lieben Brief mit dem Bild. Keine Angst, dass ich Sie nicht erkannt hätte. Dazu käme es nie, wenn man sich so oft gesehen hat. Kennen Sie überhaupt noch, können Sie überhaupt noch die paar Kartenkunststücke, die ich Ihnen damals beibrachte? Oder haben Sie sie inzwischen vergessen? Damals beherrschte ich fünf gute Kunststücke. Heute ungefähr zweihundert. Darf ich stolz auf mich sein?
    Meine Liebe gehört heute mentalen Kunststücken. Was heißt, Pseudohellsehen. Gedachte Karten finden, die Gesamtsumme einer erst momentanen Addierung von Zahlen (beliebige) Voraussagen unter fünf Zetteln, ohne hinzuschauen (jeder Zettel ein Vorname, ein Zettel mit dem Vornamen einer verstorbenen Person), den Totenzettel herausfinden, Fortune-Telling mit Spielkarten, die Zuschauer auf Karten Symbole ≈, △, ○, × usw. sehen lassen, wählen lassen, die bei Prüfung im Spiel gar nicht vorhanden sind, sondern sich in einem Umschlag

Weitere Kostenlose Bücher