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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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ein Stecknadelkissen, das an der Stuhllehne klemmte. Sie war Schneiderin. Ich glaubte kaum, dass sie eine große Kundschaft besaß. Dankend lehnte ich es ab, etwas zu mir zu nehmen. Gleichzeitig nahm ich mir vor, meine Wohnung in Zukunft öfter aufzuräumen, sonst würde ich eines Tages auch als solch alte Schlampe enden.
    Die Schneiderin wandte mir ihren Kopf mit dem grauen Filzgestrüpp, das sich im gewaschenen Zustand als Haar entpuppen würde, zu. Auf ihrem von Runzeln zerfurchten Gesicht, in dem erstaunlicherweise anstelle einer Hakennase eine Durchschnittsnase saß, lag ein lauernder Ausdruck, als wüsste sie nicht genau, was sie von mir erwarten könnte. Sie nestelte an ihrem Umhang, der ihre gebeugte, unförmige Figur wohl kaschieren sollte. Dabei öffnete er sich, und eine mehrfach gestopfte Bluse blitzte durch. Entweder war die Frau direkt dem Märchenbuch entstiegen oder hinter der Tür war die versteckte Kamera postiert. Als mich kein Fernsehmoderator aus dieser Umgebung erlöste, konzentrierte ich mich auf die Tiraden, die die Alte ausstieß.
    Ihr Vermieter schikaniere sie nach allen Regeln der Kunst, um sie loszuwerden. Nächtliche Anrufe und Drohbriefe. „Er wollte sogar einen meiner Hunde vergiften!“ Ihre trüben Augen füllten sich mit Tränen.
    Ich riskierte einen Seitenblick auf die beiden braunen Köter, die hechelnd vor ihren Füßen lagen. Bisher hatte ich versucht, mich durch möglichst unauffälliges Verhalten ihrer Aufmerksamkeit zu entziehen. Besonders vertrauenerweckend fand ich sie nicht.
    Die Alte streichelte ihren Lieblingen die glatten Köpfe, schnippte einen unsichtbaren Floh aus dem Fell und jammerte weiter über ihren unmenschlichen Vermieter. Als letzte Schandtat hatte der Unhold Stacheldrahtrollen rings um ihre Terrasse aufgetürmt.
    Okay, das gab ein gutes Fotomotiv! Die arme Alte, die anklagend auf den Stacheldraht deutete – so was rührte die Leser. Mit diesen Gedanken an eine herzergreifende Story stolperte ich hinter ihr her durch unzählige Rumpelkammern, in denen ich mehr als eine Rattenzucht vermutete. Ich stieg über leere Konservendosen, räumte Pappkartons zur Seite und kämpfte mit Kleidungsstücken, die plötzlich an den unmöglichsten Stellen von der Decke schlackerten.
    Erleichtert atmete ich auf, als wir endlich draußen auf den grauen Waschbetonplatten standen, die die Alte hochtrabend als ‚Terrasse‘ titulierte. Dahinter erstreckte sich ein weitläufiger Garten mit einem Holzhäuschen.
    „Da wohnt er.“ Sie zeigte auf ein weißes Haus hinter der Gartenlaube.
    Ich begriff, dass ‚er‘ ihr Vermieter war.
    Die Stacheldrahtrollen hatte bereits jemand weggeräumt. Sie lagen aufgeschichtet neben dem Holzhaus auf der Seite, die zum Garten des Vermieters gehörte. Wenn ich von einer Idee besessen bin, kann mich nichts groß aufhalten. Kurz entschlossen begann ich, die Stacheldrahtrollen, so gut es ging, wieder vor die Terrasse zu zerren. Gar nicht so einfach! Ich schützte meine Hände mit den überall herumliegenden Lappen und Tüten, ritzte mir aber trotzdem die Finger ein. Keuchend registrierte ich, dass mein Deo versagte. Blut und Schweiß.
    In diesem Moment bogen zwei Männer um die Hausecke. „He, was machen Sie da?“
    Als ich die Uniform des einen sah, schwante mir nichts Gutes.
    Der andere Typ zeterte gleich los: „Aha, so läuft das also! Um mir was anzuhängen, hat sie sich jetzt Helfer besorgt!“ Unzweifelhaft handelte es sich um den boshaften Hauseigentümer. Wut verzerrte sein birnenförmiges Gesicht mit den kleinen Schweinsäugelein und der Knollennase. Er war so Mitte fünfzig. Blass, hager und hoch aufgeschossen funkelte er mich an und zwirbelte an seinem rötlichen Vollbart, den erste graue Fäden durchzogen.
    Der rundliche Dorfpolizist zückte diensteifrig sein Notizbuch, um meine Personalien aufzunehmen.
    Diese Aktivitäten besänftigten den missgünstigen Vermieter. Er ließ seinen Bart in Ruhe. Sein rechter Arm klappte nach unten. Selbstvergessen fasste er sich an den Schritt. Ein hämisches Grinsen umspielte seine dünnen Lippen und gab ihm etwas Schmieriges.
    Na, fein, da war ich ja gleich in das erste Fettnäpfchen getappt!
     
    „Die Volkshochschulen haben ihre neuen Jahresprogramme herausgebracht. Das müssen wir als Aufmacher nehmen“, schlug Gundula vor und betrachtete zufrieden ihre kirschrot lackierten Krallen. Zur Bekräftigung schickte sie Edfried Wagner, der die Themen der morgigen Ausgabe notierte, ein langes Zwinkern.

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