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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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Ihre quäkende Stimme erinnerte an eine Stockente, die glaubte, lauter Küken um sich herum zu haben, die sie bevormunden musste. Das Schweigen ihrer Kollegen wertete Gundula als Zustimmung. „Ich habe eben immer eine Idee.“ Sie gackerte wieder. Dabei zeigte sie ihre großen weißen Zähne, die von Lippenstiftspuren geziert wurden. Beim Lachen wackelte sie mit dem Kopf, sodass die goldene Brille auf und ab wippte. Meinte die Frau das ernst oder spielte sie die Komikerin vom Dienst?
    In diesem Moment buchte Gundula mich sicherlich auf die Liste ihrer vermeintlichen Bewunderer, dumm und dreist, wie sie war. Ich hielt mich bescheiden im Hintergrund, getreu der Weisheit: ‚Neue Kollegen sieht man lieber, als dass man sie hört!‘ Später machte ich öfters Bekanntschaft mit Gundulas scharfer Zunge. Um ihre eigene Unfähigkeit zu überspielen, hatte sie sich so eine Art Mutter Theresa-Image zugelegt und meinte, an jeder menschlichen Figur ihr Helfersyndrom ausprobieren zu müssen – ob derjenige nun wollte oder nicht. Tief besorgt, verzog sie dann immer ihre Augen hinter den Brillengläsern zu Schlitzen und äußerte mitfühlend: „Das konntest du ja noch nicht wissen!“ Es klang, als erläuterte sie einem Fünfjährigen Fortpflanzungspraktiken.
    Die erste Kostprobe lieferte Gundula in der gleichen Stunde. Auf Herbies Apparat rief der Stacheldrahtvermieter an, von dem sich die schlampige Schneiderin schikaniert fühlte. Natürlich, um sich über mich zu beschweren und mit seinem Anwalt zu drohen.
    Gundula witterte ihre Chance. Sie gab Herbie einen Wink. „Lass nur, ich kümmere mich schon darum! Gleich ist Deadline, dein Artikel ist ja noch nicht fertig!“ Im Nu hatte sie Herbie den Hörer aus der Hand gerissen, um glucksend schleimig mit dem Anrufer zu parlieren. „Nein, selbstverständlich schreiben wir nichts.“
    Pause.
    „Es tut mir leid, wenn Sie Unannehmlichkeiten gehabt haben! Meine junge Kollegin weiß noch nicht Bescheid.“
    Kichern.
    Und so weiter und so fort. Offensichtlich kannte sie ihn. Sie redete ihn jetzt mit ‚Herr Prange‘ an.
    Unruhig saß ich da, streckte ab und an die Hand zum Hörer hin. „Ich kann selbst mit ihm sprechen“, drängte ich im Flüsterton.
    Aber Gundula stellte auf Durchzug und ließ mich nicht. „Ach, der!“, meinte sie abfällig, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte.
    Ich dachte, damit sei die Sache erst mal gegessen. Nicht so Gundula, die die Gunst der Stunde augenscheinlich genutzt hatte, um mich beim Chef zu verpetzen.
    Er rief mich in sein Büro. „Frau Zöllner sagte, es habe sich jemand über unsere Zeitung beschwert, weil Sie unbefugt gehandelt hätten. Wir sind als loyal und korrekt angesehen und können uns solche Vorkommnisse nicht leisten! Frau Zöllner meinte, Sie hätten es nicht absichtlich getan, sondern würden sich mit Berichterstattung in dieser Form nicht auskennen. Das hat sie sicherlich nett gemeint, nur uns nützt das nichts! Ich habe Sie nicht als Praktikantin, sondern als Redakteurin eingestellt. Und solche Artikel gehören zu unserem täglichen Brot. Mit Gespür und Feinsinn müssen wir die Themen angehen. Wenn Sie das nicht können, habe ich leider keine Verwendung für Sie“, drohte er mit streng gekrauster Stirn, auf der sämtliche Adern kurz vor dem Platzen waren.
    Einen Moment lang gaben meine Beine nach. Puddingknie. Nicht schon wieder! , schoss es mir durch den Kopf. Aber eine echte Kämpfernatur lässt sich nicht so leicht einschüchtern. Retten, was zu retten ist! , lautete jetzt die Parole. Ich riss mich zusammen und erklärte mit zittriger Stimme, dass es mir nur um ein gutes Fotomotiv gegangen sei, um die Geschichte anschaulich zu illustrieren.
    Edfried Wagner ließ daraufhin einen kleinen Vortrag über political correctness und Ähnliches ab, das nicht zum Thema passte. Er holte eine Banane aus seinem Jutebeutel und fuchtelte damit umher, um die Bedeutung seiner Worte zu unterstreichen.
    Währenddessen sammelte ich wieder Mut. „Ich werde dann nur ein Porträtfoto von der Schneiderin nehmen.“
    Diese Ignoranz verschlug meinem Chef die Sprache. Er klatschte die Banane auf den Schreibtisch. Die Schale platzte, Fruchtfleisch quoll hervor. „Sie wollen diese Geschichte trotzdem schreiben? Die bringt uns nur Ärger ein!“
    „Die Frau wird wirklich von ihrem Vermieter schikaniert. Sie sagt, er habe sogar versucht, einen ihrer Hunde zu vergiften.“
    „Können Sie das beweisen? Ich will keinen Disput mit Anwälten. Das wird

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