Mordsschock (German Edition)
teuer und schadet unserem Ansehen!“ Er klaubte die Reste seiner matschigen Banane auf. „Haben Sie das endlich kapiert?“
Ich hatte und schlich mit hängenden Schultern an meinen Arbeitsplatz zurück.
Gundula schenkte mir ein barmherziges Schwesternlächeln. „Der Alte spinnt manchmal. Den muss man nicht so ernst nehmen!“
Am Abend zeigte mir Herbie die Technik im Keller, wo unsere Texte und Fotos von einem Metteur nach den Umbruchvorlagen auf die Seiten montiert wurden. So was hatte ich noch nie gesehen. Willkommen in den Fünfzigerjahren! Ein richtiges Zeitungsmuseum!
Metteur Willy im blaugestreiften T-Shirt hantierte wie ein Chirurg mit dem Messer in unseren Textausdrucken herum, um sie anschließend Absatz für Absatz sauber auf die Seiten zu kleben. Dazwischen platzierte er Fotos. Fasziniert betrachtete ich Willys Bierwampe, die sich der Tischschräge perfekt angepasst hatte. Vier andere Kollegen waren damit beschäftigt, Anzeigen zusammenzubasteln.
Barbara, die Laborantin, wirbelte hier wie eine Unterirdische umher. Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, war sie an ihrem dunklen Arbeitsplatz gut getarnt. Für ihre Zukunft sah ich tatsächlich schwarz. In meinem früheren Verlag existierten weder Fotolaboranten noch Techniker. Alles lief auf digitalem Weg direkt ins Druckzentrum.
„Mensch, Herbie, jetzt is‘ es soweit: Bald sitzt der alte Willy auf seinem eigenen Bootssteg und angelt.“ Willy haute Herbie kräftig auf die Schulter, aber der ging nicht in die Knie. Anscheinend war er robuster, als er aussah.
„Willy träumt von einem Grundstück auf dem Gottesanger. Er will dort mit seiner ganzen Familie bauen“, erklärte Herbie mir, als wir wieder nach oben gingen.
„Was ist der Gottesanger?“
„Ein riesiges Gelände hinter dem alten Friedhof, zentral gelegen und gleichzeitig im Grünen. Die Tale fließt unmittelbar vorbei. Bis vor Kurzem gehörte es einer Sekte. Jahrelang hat der Stadtrat versucht, die Glaubensgemeinschaft zu vertreiben und zum Verkauf zu zwingen. Das Grundstück ist nun städtisches Eigentum, wird in mehrere Parzellen unterteilt und als Bauland an die Rosenhagener Bürger verkauft. Jeder Interessent soll die Chance bekommen, ein Gebot für sein gewünschtes Stück Land abzugeben. Das ist momentan unser Topthema, sozusagen der Dreh- und Angelpunkt des öffentlichen Interesses.“
„Wollen da viele Leute bauen?“
„Natürlich, gutes Bauland ist rar. Außerdem ist die Lage optimal. Nur fünf Minuten zur Fußgängerzone mit sämtlichen Geschäften entfernt und trotzdem mitten in der Natur am Ufer der Tale gelegen. Das sind Sahnegrundstücke, nach denen sich viele die Finger lecken. Kein Wunder, dass unsere Abgeordneten jahrelang gegen die Sekte prozessiert haben, um das Land in den Besitz der Stadt zu bringen.“
„Wie haben sie die Sekte weggekriegt?“
Herbie lachte. „Gar nicht! Die Sekte ist auseinandergebrochen, weil der Guru nach Neuseeland auswanderte. Man sagt, er hätte irgendwelchen Dreck am Stecken, weswegen er Rosenhagen überstürzt den Rücken kehrte. Also haben er und seine Anhänger der Stadt das Land zu einem Spottpreis hinterlassen. Und nun können die Quadratmeterpreise in die Höhe getrieben und die leeren Stadtkassen aufgefüllt werden.“ Herbie verzog sein gutmütiges Gesicht wieder zu einem Schmunzeln. „Die offizielle Version lautet anders. Da mimen unsere Politiker die Helden, die die Ungeheuer vertrieben haben. Das wirst du heute Abend live erleben.“ Mein Kollege spielte auf die Stadtratssitzung an, die ich gleich besuchen sollte. Edfried Wagner hatte gemeint, so könne ich mich am schnellsten mit den wichtigen Themen und Leuten der Stadt vertraut machen.
Kapitel 4
Ich ging mit einem Sack voller Ermahnungen und Ratschlägen von Gundula im Gepäck. Einen wichtigen Tipp hatte sie mir verschwiegen: Nämlich eine lange Unterhose und einen dicken Wollpulli anzuziehen! Die Sitzung wurde in der Aula des hiesigen Gymnasiums abgehalten. Große Bäume und Büsche vor den Fenstern sorgten dafür, dass es hier das ganze Jahr über schattig blieb. Außerdem zog es aus undichten Ritzen wie an der Nordsee. Fröstelnd kauerte ich mich auf dem viel zu kleinen Holzstühlchen zusammen. So mancher Pennäler hatte sich verewigt. ‚Guschi ist ein Arsch, weil er ...‘, stand da zum Beispiel. Ich versuchte, während einer Rede des Bürgerworthalters, der so was wie der Boss der Stadtverordneten war, zu entziffern, warum Guschi ein Arsch war. Es
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