Mordsschock (German Edition)
Körper.
Er stöhnte laut, lockerte den Griff und taumelte rückwärts. Ehrhardt fiel auf den Boden. Blut spritzte, lief über seinen Körper, rann das teure dunkelgraue Sakko hinunter, sammelte sich zu einer niedlichen Blutlache, die die regungslose Gestalt wie ein zierliches Rinnsal umfloss. Aus einer Platzwunde am Kopf, die er sich durch den unsanften Aufprall zugezogen hatte, sickerte ebenfalls Blut, das gemächlich Tröpfchen für Tröpfchen in den dunkelroten Strom eintauchte.
Es sah wundervoll aus. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass ein Mensch solche kräftigen Farben in sich verbarg. Intensiver als jeder abstrakte Maler sie mischen könnte. Nun kam alles hervor. Das Böse quoll aus Ehrhardt heraus.
Ich kicherte lautlos, in mir gluckste und juckte es. Immer stärkerer Lachreiz kitzelte mich, trieb mir die Tränen in die Augen, bis sie brannten. Die jüngsten Lachwellen entluden sich in einem trockenen Hustenanfall. Langsam geriet mein geschockter Verstand wieder unter Kontrolle. Der Mann war tot! Ich hatte ihn umgebracht!
Ich horchte nach draußen auf den Flur. Jeden Moment könnten seine Parteikollegen Ehrhardt suchen. Ihre Rache würde fürchterlich sein. Ich musste verschwinden.
Prange fiel mir ein. Sein Mörder hatte ihn ausgezogen bis auf die Unterwäsche. Ich durfte keine Spuren zurücklassen.
Ich watete durch die Blutpfützen, schlang mir einen der alten Lappen aus den Kartons um die Hände, zog Ehrhardt Sakko, Oberhemd und Schlips aus und wischte ihm die Handgelenke ab. Wie schwer und steif der Stoff war. Ständig rutschten seine Arme weg, und sein kräftiger Rücken ließ sich nicht aufrichten. Ich hatte das Gefühl, er wehre sich. In seiner Jackentasche fühlte ich einen harten Gegenstand. Die zwei Hälften meines Handys! Offensichtlich hatte er sie vorsichtshalber vom Flur aufgesammelt, um niemanden auf meine Spur zu bringen. Damit hatte er mir unabsichtlich einen Gefallen getan.
Ich beugte mich über ihn, um den Gürtel seiner Hose zu öffnen und fuhr vor Schreck zusammen. Ich bildete mir ein, sein Herz schlagen zu hören. Poch, Poch ...
Nein, weg, bevor mich die Halluzinationen einholten! Ich riss ihm die Hose von den Beinen. Meine überspannte Fantasie gaukelte mir vor, Ehrhardts Beine zucken zu sehen. Tote Muskulatur, die sich krampfartig an- und abspannte. Gleich würde er sich aufrichten und wieder auf mich losgehen.
Ich klemmte die Kleidung und alles, was ich berührt hatte, unter den Arm, drehte mich nicht mehr um und rannte wie ein gejagtes Wild zum Lüftungsschacht, warf das Messer hinein und ... Halt! Nichts Unüberlegtes tun! Noch einmal bündelte ich alle meine Kräfte und schob den Schrank wieder so vor den Lüftungsschacht, dass die Öffnung vom Zimmer her nicht zu sehen war. Ich nahm die Überreste des Gitters, quetschte mich rückwärts in die Öffnung und setzte von drinnen den Rost als Attrappe wieder vor.
Ich hatte Mühe, meine Gliedmaßen bei diesen akrobatischen Verrenkungen zu dirigieren. Ich riss mir Arme und Beine auf, achtete nicht auf die Schrammen und Ratscher. Das Messer stopfte ich in meine Rocktasche. Wer weiß, ob ich es nicht noch brauchte.
Ich landete in einem finsteren Gang, in dem ich glücklicherweise nichts sah, sonst wäre mir übel geworden. Er war so niedrig, dass ich auf allen Vieren robben musste. Das blutige Kleiderbündel schob ich wie ein Schutzschild vor mir her. Staub und Spinnweben kitzelten unentwegt mein Gesicht. Ich nieste, hustete und spuckte. Der Sauerstoff war knapp. Ich konzentrierte mich auf eine kontrollierte Atemtechnik, sonst würde ich besinnungslos werden und ersticken. Also sog ich die vergammelte Luft ein, die sicherlich mit etlichen Mikroben, Bakterien und Pilzen gespickt war. Schön gleichmäßig. Ein, aus, ein, aus ...
Meine Arme und Beine rutschten über feuchten, glibberigen Untergrund. Ab und zu quiekte ich vor Schreck, wenn ich auf eine schwammige Masse trat. Ohne Zweifel ein Tierkadaver! Ich ekelte mich wie nie in meinem Leben. Was, wenn ich nun den gleichen Weg wieder zurückkriechen musste, weil es keine Öffnung nach draußen gab? Nein, lieber verreckte ich in diesem Loch, als dass ich Ehrhardts Kumpanen in die Arme fiel! Also, weiter!
Ein Lebewesen sprang über meine nackten Beine. Ein pelziges Etwas berührte meine Haut. Ich stieß einen hysterischen Schrei aus. Eine Ratte! Ihre Augen glühten in der Dunkelheit. Sie schleuderte mir ihren Schwanz ins Gesicht und floh. Weiter, weiter! An nichts
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