Mordsschock (German Edition)
Rock hinderte mich am Hineinklettern. Ich stopfte ihn komplett in die Unterhose, die nun so ausgebeult war, als würde ich eine dicke Pampers tragen. Ich sah urkomisch aus. Aber für modische Anwandlungen war dies ein schlechter Zeitpunkt.
Ehe ich wieder versuchen konnte, in den Lüftungsschacht zu gelangen, hörte ich, wie der Schlüssel sich im Schloss herumdrehte und die Tür aufging. Ehrhardt kam zurück!
Mir stockte vor Schreck der Atem. Instinktiv packte ich das Messer, das ich neben mir auf dem Boden abgelegt hatte, und schob es in die Seite meines Rockknäuels. Keine Sekunde zu früh!
Bevor ich mich umdrehen konnte, stand Ehrhardt vor mir. Mit grimmigem Gesicht zog er mich hinter der Schrankecke hervor. Seine Hände wanderten meinen Hals hinauf.
Ich sprang zur Seite.
Ehrhardt haute mit dem Ellenbogen gegen den Schrank.
Ich nutzte seine Verblüffung, um ihn abzuschütteln. Du musst mit ihm reden, ihn ablenken und einen Moment seiner Unachtsamkeit zur Flucht nutzen! , schoss es mir durch den Kopf. Gewaltsam zwang ich mich, meiner Stimme einen festen Klang zu geben. „Aber Herr Ehrhardt, denken Sie an Ihren Fraktionschef! Was würde Herr von Stetten dazu sagen, dass Sie eine Journalistin hier festhalten?“
Die falschen Worte. Ehrhardt lief rot an und zischte: „Was Ludwig sagen würde, weiß ich: ‚Weg mit dieser Schnüfflerin! Die Pest will sie mit ihrem widerlichen Geschmiere über unsere Partei und unsere Stadt schleudern.‘“ Er fletschte die Zähne wie ein Raubtier, das seine Beute fixierte. In seinen gelb unterlaufenen Augen loderte blanker Hass. „Ist es nicht so?“, schrie er „Sie spionieren, horchen und wühlen umher, um eine Bombe, wie ihr Schmierenfinken das ausdrückt, platzen zu lassen. Aber es wird keine Bombe geben! Wenn Sie Glück haben, drucken Ihre Kollegen eine Todesanzeige für Sie. Das ist alles!“
Zu spät erkannte ich Ehrhardts Persönlichkeit, die so zerrissen war, dass sie sich aus einzelnen Splittern zu einem Glas zusammensetzte, das bei der geringsten Erschütterung explodierte. Seine vornehme Höflichkeit, seine verlegene Zurückhaltung, seine Machtlosigkeit, seine hündische Liebe zu von Stetten, seine Freude am Klatsch, seine brennende Eifersucht und sein abgrundtiefer Hass skelettierten ihn. Er verschaffte sich ein tödliches Ventil.
„Haben Sie meinen Kater umgebracht?“
„Das war die Strafe, weil Sie sich nicht an unsere Abmachung gehalten haben.“
„Welche Abmachung?“
„Es hieß ausdrücklich ‚zu niemandem ein Wort‘, und Sie haben Herder und seine Leute zum Waldfriedhof geschickt.“
„Das anonyme Schreiben stammte von Ihnen?“
Ehrhardt antwortete nicht. Er bewegte sich auf mich zu.
„Am Friedhof des Nicolaus von Bernfried – das waren auch Sie? Und der Steinschlag von der Brücke auf mein Auto?“
„Sie hatten verdammt viel Glück. Aber nun ist es vorbei!“ Er streckte wieder seine Hände nach mir aus.
„Aber warum, warum?“ Ein Schluchzer rutschte mir raus.
Ehrhardt lächelte zynisch. „Habe ich Sie nicht gewarnt, sich aus der Sache mit der Grundstücksverteilung rauszuhalten? Ständig haben Sie Ihre Nase in Angelegenheiten gesteckt, die Sie nichts angehen.“
„Musste Christine Riecken sterben, weil Sie Ihnen zu neugierig war?“ Ich wich zurück in Richtung Lüftungsschacht.
„Der Frau mangelte es an Loyalität.“
„Und die anderen? Prange, Sebastian und Peter haben Sie die ...?“ Weiter konnte ich nicht sprechen, weil Ehrhardt mir mit einer Hand die Gurgel zudrückte.
Ich beugte mich runter und biss ihn. Reflexartig, in meiner Not instinktgesteuert wie ein in die Enge getriebenes wildes Tier.
„Aua!“ Schimpfend ließ er los. Durch die ruckartige Bewegung rutschte seine Brieftasche aus dem Sakko. Der Inhalt ergoss sich auf den staubigen Fußboden. Scheppernd prasselten die Münzen ihre dumpfe Unmelodie. Leider dachte der penible Ehrhardt in diesem Moment nicht daran, seine Ausweise und Kreditkarten einzusammeln, sondern klammerte sich wieder an meinem Hals fest. Er drückte zu.
Mir blieb die Luft weg. Einen winzigen Moment wurde mir schwarz vor Augen. Besinnungslos würde ich so wegsacken, und Ehrhardt hätte gewonnen. Nein!
Ich bekam meinen rechten Arm frei und fühlte nach dem Messer, das in meinem Rockknäuel verborgen war. Dann ging alles blitzschnell. Ich holte aus und stach blind mit dem Messer auf meinen Feind ein. Weil er nicht sofort losließ, rammte ich ihm mit aller Wucht die Klinge in den
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