Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
Vom Netzwerk:
anderes denken! Als ich meine wundgescheuerten Knie kaum mehr fühlte, erblickte ich Licht. Nicht viel, nur ein bisschen.
    Am Ende des Ganges befand sich ein Rost, durch den der Mondschein schimmerte. Wie gut, dass ich das Messer zum Zersägen bei mir trug! Aber das war gar nicht nötig. Ich stemmte den Rost in die Höhe, er gab sofort nach.
    Ich kletterte hinaus. Frische, kühle Luft umfing mich. In großen Stößen sog ich sie auf, um die verpestete aus meinen Lungenflügeln zu verdrängen. Wie angenehm der Wind mir durch die Haare fuhr, so als wolle er das Sammelsurium aus fürchterlichen Gerüchen, das ich mitbrachte, wegblasen!
    Ich stand auf dem Dach des Gebäudes und guckte auf die Lichter der Stadt. Vor Freude, der dunklen Hölle entronnen zu sein, sank ich auf die Dachziegel und schluchzte leise. Die Erschöpfung forderte ihr Recht. Am liebsten wäre ich liegengeblieben und hätte geschlafen. Aber das ging nicht. Hier könnte ich meinen Feinden in die Hände fallen.
    Ich warf das blutige Kleiderbündel in den Lüftungsschacht und setzte sorgfältig von außen den Rost wieder vor. Sollten die Klamotten unten vermodern oder sich die Ratten ein Nest daraus bauen! Wer würde sie dort jemals finden? Das Messer behielt ich bei mir. Die Überreste meines Handys stopfte ich in meine Rocktasche.
    Ich schlich über das Dach und bemühte mich, nicht hinunterzusehen. Es fiel nach allen Seiten relativ steil in die Tiefe. Wenn ich abrutschte, würde ich mir alle Knochen brechen und ein ähnlich grausames Schicksal wie Christine Riecken erleiden. Fröstelnd balancierte ich weiter. Wie hatte ich den Wind eben als angenehm empfinden können? Jetzt erschwerte er es mir, das Gleichgewicht zu halten. Bloß nicht stolpern! Ein Schritt daneben, und es war aus! Wie kam ich runter?
    Anstatt von Ehrhardt in der Rumpelkammer erwürgt zu werden oder in dem Lüftungsschacht zu ersticken, würde ich nun vermutlich auf dem Dach erfrieren oder verhungern. Wenn ich nicht sowieso geschwächt vorher abstürzte!
    Allmählich verließen mich meine Kräfte. Meine Knie gaben nach. Vorsichtig setzte ich mich hin, um auszuruhen. Meine Beine baumelten links und rechts vom Dach herunter. Es sah so aus, als ob ich ritt. Aber diese Haltung war auch nicht besonders bequem, weil sich die spitzen Dachpfannen unangenehm hart in meinen Po bohrten. Mühsam gelang es mir, mich wieder aufzurichten, ohne in die Luft zu treten.
    Vorne kam das Nachbardach in Sicht. Eine Straßenlaterne strahlte es an. Und dort drüben hing meine Rettung! Eine Feuerleiter! Hastig ging ich weiter und geriet dabei heftig ins Schwanken. Bloß nicht die Nerven verlieren und Ruhe bewahren! Ich zwang mich, gleichmäßig ruhig so präzise zu schreiten, als wollte ich eine Kür auf einem Schwebebalken vorturnen.
    Endlich erreichte ich den Schornstein. Dieses Dach fiel nicht so steil ab. Ich hangelte mich bäuchlings auf allen vieren vom Schornstein bis zur Dachkante. Nun klemmte ich zwischen Schornstein und Dachkante. Kurz verschnaufen. Jetzt musste ich es wagen und das kleine Stück zwischen Dach und Anfang der Leiter überwinden.
    Ich redete mir ein, es wäre nicht anders als früher, wenn ich bei Stubenarrest vom Balkon aus dem vierten Stock auf die Leiter kletterte, die meine Freunde unten im Hof für mich an die Hauswand lehnten. Allerdings war das über zehn Jahre her, und meine Waghalsigkeit hatte mit den Jahren rapide abgenommen.
    Ich rüttelte an der Dachrinne. Wirkte stabil. Ich gab meinem Herzen einen Stoß, klammerte mich an Rinne und Dachkante fest. Einige Male schaukelte ich hin und her, bis ich mit den Beinen die Leiter zu fassen bekam und festen Halt gewann. Ich ließ los, und mit dem letzten Rest Todesverachtung packten meine wunden Hände zu und erreichten die obersten Eisenstreben der Leiter. Auf wackeligen Beinen kletterte ich hinunter.
    Nachdem ich eine ordentliche Wegstrecke auf der Leiter zurückgelegt hatte, öffnete sich über mir ein Fenster. Eine schrille Frauenstimme kreischte: „He Sie! Was haben Sie hier zu suchen? Ich rufe die Polizei!“ Anscheinend hielt mich die Frau für eine Einbrecherin.
    Ich verdoppelte meine Klettergeschwindigkeit. Einen Moment lang kämpfte ich mit der Versuchung, mich unten auf das kleine Rasenstück fallen zu lassen und auf besagte Polizei zu warten, die die Frau angeblich alarmierte. Aber ich gab Fersengeld. Ehrhardts Genossen, die vielleicht bereits seinen Leichnam entdeckt hatten, könnten durch das Gezeter der Frau

Weitere Kostenlose Bücher