Mordsschock (German Edition)
die Sonnenbank. Seine Haut wirkt um einige Nuancen dunkler.
„Ludwig geriet in Rage. Er rannte, Verwünschungen gegen Prange ausstoßend, in dem Häuschen auf und ab. Prange sah wohl seine Fälle davonschwimmen. Wahrscheinlich dachte er, das sei die Chance in seinem Leben, einmal etwas Besonderes zu tun, über das die Leute sprechen würden. Raus aus Hubers Schatten! Eine Art Befreiungsschlag.“ Ken dreht den Wasserhahn auf. Seine gedrungenen Finger mit den exakt gefeilten Nägeln halten ein Zahnputzglas unter den Strahl. Unbeirrt findet die durchsichtige Wassersäule ihren ebenmäßigen Weg.
„Er stürzte sich auf Ludwig, der eben durch die Tür nach draußen ging, und schrie, dass er sich von Ludwig nicht den Mund mit obskuren Drohungen verbieten lasse. Es kam vor dem Gartenhäuschen zum Gerangel zwischen beiden. Dabei stolperte Prange über eine Rolle Stacheldraht, die vorher bereits dort gelegen hatte, und flog unglücklich mit dem Kopf gegen den Holzstoß. Er blieb bewusstlos liegen.“ Ken spannt die Muskulatur seiner Hände an. Hell treten die Knöchel auf der braunen Haut hervor. Bedächtig führt er das Glas zum Mund und nimmt einen kräftigen Schluck.
„Ludwig war das Theater unangenehm. Er meinte, Prange käme gleich wieder zu sich. Wir gingen. Als wir in unsere Autos stiegen, bemerkte Ehrhardt, dass er seine Armbanduhr verloren hatte. Wir sollten schon losfahren. Er sei sicher, die Uhr drinnen auf dem Gartentisch abgelegt zu haben. Er wolle sie nur rasch holen. Wir dachten uns natürlich nichts dabei. Wir wollten so schnell wie möglich fort.“ Ken schwenkt das Zahnputzglas durch die Luft. Kleine Tröpfchen rieseln auf die Fliesen.
„Ludwig hielt es keine Minute länger aus. Seine Prügelei war ihm peinlich. Was dann geschah, erfuhren wir erst zwei Tage später. Im Nachhinein erinnere ich mich an Ehrhardts Gesichtsausdruck, der verstört und wütend zugleich ausschaute. Total aufgewühlt!“
Ich schnelle hoch. Nach meinen heutigen Erlebnissen überraschen mich die folgenden Enthüllungen nicht. „Ehrhardt?“, würge ich tonlos zwischen bebenden Lippen hervor und ahne die Antwort.
„Zweifellos! Irgendwo hegt man natürlich im Hinterkopf ein Fünkchen Hoffnung, es könnte ein anderer gewesen sein – ein Fremder, der den leblosen Prange überfiel. Nur, es passt viel zu gut: Ehrhardts Motiv ist stark! Wir haben nie darüber gesprochen. Überhaupt herrscht zwischen uns dreien ein unausgesprochenes Gebot, keiner Menschenseele jemals etwas von dem Vorfall zu erzählen. Ich habe es jetzt getan. Wenn das rauskommt, sind wir alle ruiniert!“
„Aber du und von Stetten, ihr habt ihn doch nicht umgebracht!“
„Wir würden trotzdem in einen Haufen Schlamassel hineingeraten. Die Polizei würde intensiv nach dem Grund unseres Treffens mit Prange forschen. Die Grundstücksverteilung käme ans Tageslicht.“
Das leuchtet mir ein. Mitgehangen, mitgefangen! Die grausame Entwicklung der Dinge raubt mir die einlullende Wärme, die mich eben geschützt hat. Wieder kriecht diese unangenehme Eiseskälte in mir hoch. Er ist korrupt, skrupellos und deckt einen Mörder, von dessen Tod er nichts weiß.
Ich verlasse den Kokon, schmeiße das Handtuch weg und beobachte den Mann, der sich auf das wackelige Regal stützt. Wie weit geht er in seiner Solidarität zu den Parteikollegen? Ich spüre meinen Freund in der Rocktasche. Schon einmal hat er mir heute das Leben gerettet. „Warum hat Ehrhardt das getan?“, flüstere ich.
„Es war wohl seiner Ansicht nach der einzige Ausweg. Er ist kein kaltblütiger Mörder, aber seine Verehrung zu Ludwig ließ ihn zu einem werden. Ehrhardt ist kein besonders heller Kopf. Er kann das nicht durch brillantes Auftreten oder eine große Redegewandtheit wettmachen. Ohne diese Eigenschaften könnte er eine politische Karriere vergessen. Umso glücklicher für ihn, dass Ludwig ihn unter seine Fittiche nahm. Er verschaffte ihm einige Ämter, Pöstchen und sogar seine Stelle als Sachbearbeiter in dieser Firma, die von Stetten rechtlich berät.“
Einen winzigen Augenblick sehe ich Vollers freudiges Gesicht vor mir, als von Stetten ihm bei NORA die Stelle als Leiter für Öffentlichkeitsarbeit versprach. Sei froh Voller, dass du nie dort anfangen durftest , denke ich, so bleibst du rein und unverdorben!
„Ehrhardt dankte ihm das mit hündischer Treue und Verehrung. Und nun kam Prange und drohte, alles kaputt zu machen. Das hätte Ehrhardt nicht ertragen, wenn du und die anderen
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