Mordsschock (German Edition)
Fraktion. Unter anderem auch diese Mutproben in der Kieskuhle. Sie forderte das Ende, aber die jungen Männer lachten sie nur aus.“
„Sie haben sie gemobbt, bis sie Depressionen bekam. Herder sagt, sie nahm Tabletten.“
„Ja, kann sein. Ich mische mich nicht in die Angelegenheiten der jungen Leute.“
„Bequem geht die Welt zugrunde! Und Christines Haltung gegen eine Bebauung des Gottesangers?“
„Zwar ärgerlich, aber nicht so wichtig. Sie besaß keinen Einfluss. Zum Verhängnis wurde ihr, dass sie öfter über Ludwigs sexuelle Neigungen diskutierte. In Anwesenheit von Ehrhardt, zwei anderen Abgeordneten und mir plädierte sie einmal dafür, unser Fraktionschef solle sich zu seiner Homosexualität bekennen und mit dem Versteckspiel aufhören. In seiner Position könne er ihrer Meinung nach viel für die Anerkennung von Schwulen und Lesben tun. Christine war eine Frau mit Idealen!“ Ken zieht die Augenbrauen hoch.
„Damals fuhr ihr Ehrhardt böse über den Mund. Die beiden gerieten in Streit. Christine drohte, Ludwig in der Öffentlichkeit zu outen. Ich habe mir zu dem Zeitpunkt nicht viele Gedanken darüber gemacht. Auch als Christine starb, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass Ehrhardt seine Finger im Spiel haben könnte. Aber seit dem Mord an Prange kann ich mir vorstellen, dass er die junge Frau auf den Balkon gelockt und zum Sprung getrieben hat. Vielleicht mit einem Messer oder einer anderen Waffe. Christine war in Ehrhardts Augen eine Bedrohung für seinen geliebten Ludwig.“
Die geheimnisvolle E-Mail! Ein Mosaiksteinchen fügte sich ins andere. Garantiert hatte Christine in ihrer Wut auf ihre ignoranten, männlichen Fraktionskollegen das Homepage-Anhängsel ‚wahr‘ erstellt, um mich mit der Nase auf Dinge in ihrer Fraktion zu stoßen, die ihr stanken. Aber Ehrhardt war ihr auf die Schliche gekommen und hatte ihre Absicht entdeckt. Entweder löschte er die Seite selbst oder er zwang die Frau dazu, es zu tun. Diese unberechenbare Gefahr schaltete er aus, indem er seine unbequeme Fraktionskollegin auf den Balkon lockte und in den Tod trieb.
Mehrere Male war ich selbst Ehrhardts tödlichen Absichten knapp entkommen. Kurz vor meinem nächtlichen Abenteuer in Herbeck bat er mich telefonisch, die Gottesanger-Angelegenheiten ruhen zu lassen, weil dort politisch keine Handhabe bestünde. Das war vermutlich der Zeitpunkt, zu dem sein lieber Ludwig ihn in die Affäre eingeweiht hatte und er die Verstrickung seines Angebeteten durchschaute. Ehrhardt merkte, dass ich trotz seiner Warnungen nicht aufgab und mich weiterhin überall nach der Grundstücksaffäre erkundigte. Genau wie in Pranges Fall versuchte Ehrhardt die Person, welche die Gottesanger-Story an die Öffentlichkeit bringen wollte, auszuschalten. Ich sollte sterben, um die reine Weste seines Fraktionsvorsitzenden nicht zu beschmutzen!
Die albernen Pralinen und Blumen, angebliche Zeichen seiner Verehrung, nichts als Tarnung! Wenn mir, wie er es plante, etwas zugestoßen wäre, hätte ihn niemand verdächtigt. Aus kühler Berechnung schickte Ehrhardt das Zeug extra in die Redaktion und nicht zu mir nach Hause, damit es möglichst viele Zeugen seiner netten Geschenke gab. Und dass er in letzter Zeit keine Versuche mehr unternahm, mich um die Ecke zu bringen, lag natürlich an meiner Beziehung zu Ken. Ehrhardt wusste, dass ich inzwischen zu tief persönlich in die Grundstücksaffäre verstrickt war, um sie weiterhin aufdecken zu wollen.
„Ich habe keinerlei Beweise gegen ihn in der Hand. Alles hohle Vermutungen, die zwar Sinn machen, aber bloße Spekulationen bleiben!“ Verzweifelt fingert Ken an der lila Seifendose herum.
„Ist sowieso zu spät!“ Ich ziehe meinen Freund aus der Rocktasche.
Die Seifendose fliegt in hohem Bogen in die Dusche. „Was willst du mit dem Messer? Jetzt sag, was geschehen ist!“ Er geht auf mich zu.
„Halt! Bleib stehen!“ Ich schwinge meinen Freund drohend vor meiner Brust hin und her.
Erschrocken weicht Ken zurück. „Nina“, fleht er, „ich liebe dich doch!“
Die Geste erinnert mich an eine drittklassige Soap. Ich lasse das Messer sinken. „Ehrhardt ist tot! Ich habe ihn umgebracht!“
Ken reißt die Augen auf. Der Schock friert ihm die Sprache ein. Wird er mich anfallen? Sein Gesicht ist zu einer einzigen Falte verzerrt. Jetzt kommt Leben in ihn. Er dreht sich wie ein erregtes Pavianmännchen im Kreis. „Hat er dir was getan?“, brüllt er außer sich, „Um Gottes willen, Nina, sprich
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