Mordsschock (German Edition)
zum Interview zu verabreden. Das gibt morgen den riesigen Knüller auf der Eins. Läuft ’rüber, kann also sein, dass wir die Geschichte mit deinem Mann schieben müssen. Nicht enttäuscht sein!“ Er zwinkert mir zum Abschied zu. „Deine kleine Schwester hat echt Witz! Sie erinnert mich an jemanden.“
Kaum ist Herbies Auto um die Ecke gebogen, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und rufe Jelzick an. Ich spiele die gelangweilte Ehefrau, die unbedingt mal wieder journalistische Luft schnappen will. Außerdem verweise ich ihn erneut auf meine Bekanntschaft mit den beiden Toten. Und ich locke mit einem Stück Marzipantorte. Der gutmütige Jelzick kann mir nichts abschlagen. Ich muss ihm hoch und heilig versprechen, die Story nicht hinterher an andere Medien herauszugeben. Das habe ich bestimmt nicht vor.
Jelzick ist ein bisschen nervös. So eine Story bekommt er nicht jeden Tag auf dem Tablett serviert. Wir sitzen mal wieder im Marktcafé . Lokalitäten für Außer-Haus-Dates am Nachmittag sind nun mal dünn gesät in Rosenhagen.
Jelzick stiert in seine Wiener Melange und fummelt mit einem Kugelschreiber herum. Er hat sich nicht einmal Marzipantorte bestellt.
Ein schlanker Mann so um die fünfzig in brauner Lederjacke und dunkler Hose, das Gesicht tief in einen Timeplaner vergraben, betritt das Café. Er wendet den Blick kein einziges Mal von seiner interessanten Lektüre ab.
Bevor er gegen den Tresen rennt, wuchtet Jelzick sich hoch. „Dr. Kramer?“
Der Mann schaut kurz auf, nickt und setzt sich zu uns. In den nächsten zwei Minuten sind wir Luft für ihn. Er ignoriert Jelzicks Smalltalkversuche und blättert in seinem schwarzledernen Timer. Seine gelbgefärbten Fingerspitzen verraten den Kettenraucher. Oder sind das etwa Blutrückstände? Wühlt ein Pathologe nicht dauernd darin herum? Ich habe keine Ahnung von diesem Berufsstand. Erleichtert beobachte ich, wie Dr. Kramer sich hastig eine Zigarette anzündet. Also, kein Blut! Jetzt schnuppere ich deutlich den abgestandenen Rauchgeruch in seiner Kleidung. Er blickt auf seine Armbanduhr. „Ich habe fünfundzwanzig Minuten Zeit für Sie.“
Das ist für Jelzick der Startschuss. Er springt in medias res. „Welche Ergebnisse hat die Obduktion der Leichen von Gerd Hansen und Malte König ergeben?“
Statt einer Antwort wühlt Dr. Kramer in einigen Papieren, die er in seinem Timer aufbewahrt. Er zieht einen Zettel hervor und kratzt sich hinter den grauen Schläfen. „Tja, der Befund Hansen und König ...“, murmelt er vor sich. Bestimmt muss er im Kopf erst einmal die vielen Leichen sortieren, die er täglich aufschneidet.
Ich spüre förmlich, wie Jelzick neben mir schwitzt.
Der Pathologe scheint ein grausamer Mensch zu sein. Er hält einem hungrigen Journalisten ein fettes Tortenstück vor die Nase und lässt ihn nicht einmal daran lecken. „Wie ist der Kuchen?“, erkundigt er sich plötzlich.
„Äh, Marzipan ist zu empfehlen“, sage ich rasch, weil ich befürchte, Jelzick verreckt an Herzkasper, bevor der Pathologe ihm irgendetwas gesteckt hat.
Dr. Kramer ist versorgt mit Kaffee und Marzipantorte. Genussvoll kaut und trinkt er, während der arme Polizeireporter ihm gegenüber Höllenqualen leidet. „Hm, Hansen und König ...“, beginnt er endlich und fingert wieder an seinem Timeplaner herum. „Eindeutig Tod durch Fremdeinwirkung! Die Herren sind nicht erstickt, wie zunächst angenommen. Ihre Luftröhren enthielten keine Rußpartikel. Der chemische Nachweis von Kohlenmonoxid im Blut war negativ.“
„Aber die Abgase waberten doch überall im Auto umher?“ Jelzick lässt seinen Kuli einen großen Bogen in der Luft beschreiben.
Dr. Kramer wird ein wenig ungeduldig. „Wir haben das gründlich nachgeprüft. Es gibt eine unfehlbare Methode: Bei einer Kohlenmonoxidvergiftung weisen die Totenflecken eine hellrote Farbe auf, wenn man einen Schnitt in die Oberschenkelmuskulatur macht. Das war nicht der Fall!“
„Und das Zeug, das die Toten intus hatten?“
„Wir haben etwa zwei Milligramm Barbiturate und Ecstasy im Blut gefunden. Zusammen mit Alkoholkonsum könnte das tödlich wirken, ist aber an der Grenze. Der Täter hat seine Opfer vermutlich damit betäubt. Die Todesursache war bei beiden eine Schädigung lebenswichtiger Zentren im Gehirn.“
„Hä?“ Jelzick ist so überrascht, dass er die gepflegten Umgangsformen gegenüber seinem Interviewpartner außer Acht lässt.
„Im Blut befanden sich hohe Werte von giftigem
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