Mordsschock (German Edition)
Gedanken. In den zahlreichen Frauenzeitschriften lautet das Patentrezept dafür: ‚Treiben Sie Sport!‘ Ich kämpfe gegen meinen faulen Schweinehund an und hüpfe zwanzig Minuten wie eine Bekloppte zu Vics Musik auf und ab. Poweraerobic!
Zum Duschen bin ich anschließend zu kaputt und zum Denken viel zu müde. Ich gehe in die Küche, um einen Liter Mineralwasser in mich hinein zu schütten. Schweiß rinnt mir den Nacken runter.
Ken kommt von der Arbeit. Er legt seine Hände auf meine nackten Schultern. Sanft, aber energisch.
Trotz meiner inneren Hitze fühlen sie sich kühl an. Ich fröstele plötzlich.
Kens Hände rutschen mitsamt der Träger meines Tops tiefer, tasten sich elastisch von hinten nach vorne unter meinen BH durch.
Ich stehe auf und schalte die Kaffeemaschine ein. Klackernd rieselt das Wasser Tröpfchen für Tröpfchen in die Kanne. Das einzige Geräusch im schwülen Raum.
Ken kickt wütend mit dem Fuß mehrere leere Milchtüten in Richtung Mülleimer und fährt vorwurfsvoll mit seinem rechten Zeigefinger über das Küchenregal, an den sich sofort eine dicke Staubschicht heftet. „Was machst du den ganzen Tag?“
„Popeln!“ Ich weiß es selbst nicht.
Ken geht ins Wohnzimmer, wirft den Fernseher an und zappt so lange mit der Fernbedienung durch die Kanäle, bis er die Übertragung eines Fußballspiels findet.
Ich wische mir die Schweißflecken unter den Achselhöhlen mit Haushaltspapier ab und schütte den Kaffee in den Ausguss.
Die Stunden verrinnen. Ken geht ins Bett.
Ich streife ziellos durch alle Räume. Trotz Fußbodenheizung und Kaminfeuer friere ich. Das große Haus mit seinem Designerinterieur ist kalt. Modernste Heizungstechnologien, altmodische Heizlüfter oder rustikale Holzfeuer können es nicht erwärmen. Die innere Wärme fehlt! Ich kann nicht beschreiben, wonach es riecht. Es hat keinen Geruch! Kein Hollywoodfamilien-Nest!
Ich denke an das gemütliche Knusperhäuschen von Frau Kerstein, Sebastian Jensens alter Kinderfrau. Gerüche nach Kardamom, Zimt, Nelken, frisch gebackenem Kuchen ... Welche verführerischen Düfte wohl jetzt dort durch die behaglichen Räume ziehen?
Abhauen! Vics kindliche Universallösung aller Probleme hallt wie ein Echo in meinen Ohren. Endlich bin ich am Ziel: Ich lebe mit meiner kleinen Schwester zusammen in einem tollen Haus, habe ausreichend Geld und bin mit einem gesellschaftlich angesehenen Mann verheiratet, für den viele Frauen schwärmen. Und trotzdem möchte ich fort. Meinetwegen auch zurück in die winzige Wohnung mit dem scheußlichen Gelsenkirchener Barock und dem klebrigen Ledersofa voller Oscar-Löcher. Egal wohin, nur weg! Aber das geht nicht!
Ich verstehe die Floskel ‚Goldener Käfig‘. Ich sitze drin. Mein Hollywoodfamilientraum ist gescheitert. Trotz aller Statussymbole! Meine Neigung für Ken kippt ins Gegenteil. Jeden Tag ein bisschen mehr. Sein rasender Ehrgeiz entfremdet ihn mir. Ich erkenne den Mann nicht wieder, mit dem ich noch im Sommer durch den Regen getanzt bin oder auf der Wiese beim Fußballplatz gealbert habe. Das war ein anderer. Es gibt ihn nicht mehr. Er ist tot!
Dieser fremde Bürgermeisterkandidat hat seinen Platz eingenommen. Ich kann mich nicht von ihm lösen und abhauen. Freiwillig wird er mich nicht gehen lassen. Nicht jetzt, wo er sich unter keinen Umständen einen Familienskandal leisten kann.
Und wohin sollte ich ohne Geld auch mit Vic gehen? Zu Sophie? Alles auf Anfang? Nein, Ken würde mich niemals in Ruhe lassen. Ich bin eine Gefangene meiner eigenen Tat!
Die Polizei hat die Jauchegrube, in der Hansen und Glatzkopf vergiftet wurden, ausfindig gemacht. Jelzick fasst die Ereignisse in der neuesten Ausgabe des Rosenhagener Tageblatts zusammen.
Die Jauchegrube gehört zu einem einsam gelegenen Bauernhof ganz in der Nähe der Wiese, wo das Auto mit den Leichen gefunden wurde. Von dort stammt auch das Wasser, mit dem der Mörder seine Opfer nach dem unfreiwilligen Jauchebad abbrauste. Er hatte Glück, es herrschten milde Außentemperaturen, sodass der Bauer das Wasser draußen nicht wie sonst abgestellt hatte, um die Leitungen vor dem Zufrieren zu schützen. Anscheinend hielt sich zur von der Polizei vermuteten Tatzeit niemand auf dem Hof auf. Keine Zeugen.
Ich sitze mit der Zeitung vor der Nase am Frühstückstresen und warte auf meine kleine Langschläferschwester, die heute schulfrei hat, weil in der Schule die Heizungsanlage ausgefallen ist. Ich befürchte, dass Vic dafür verantwortlich
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