Mordsschock (German Edition)
schlecht, hat deine Mutter gesagt! Gleichzeitig tönte eine weitere Stimme in mir: Es gehört sich nicht, bringt aber unheimlichen Spaß! Und jetzt hatte ich quasi Narrenfreiheit. Seit gestern reihte ich mich in die Reihe der schlimmsten Klatschbasen ein: der Petzen! Schlimmer – der Petzen, die Gerüchte ohne Beweise aus dem Bauch heraus verbreiten!
Nachmittags nahm mein Fall eine überraschende Wendung. Jelzick fuchtelte mit einer Ausgabe unserer heutigen Zeitung herum. Ein breites Grinsen stand auf seinem fetten Gesicht, und das zu kurze Sweatshirt rutschte auf halb vier nach oben, woraufhin sein schwabbeliger Käsebauch hervorblitzte. „Ich habe deine Fotos gefunden! Die, die du gestern überall gesucht hast. Hättste gar nicht gebraucht, die sind schon drin.“
„Wo drin?“
„Na da, wo sie reingehören. In unserer Zeitung!“ Triumphierend hielt er mir die Ausgabe unter die Nase.
Auf der Eins rangierte mein Aufmacher über den Gottesanger. ‚Von Nina Campbell‘ stand darunter. Normalerweise wäre ich jetzt stolz gewesen, aber aufgrund des gestrigen Vorfalls freute ich mich nicht. Meine Fotos vom Gottesanger entdeckte ich nicht. Ich blätterte die Zeitung durch.
Jelzick riss mir die Zeitung aus der Hand, blätterte weiter und stupste ungeduldig auf eine Stelle. „Na guck doch, da!“
Tatsächlich meine Fotos! Nicht auf Seite eins, sondern auf Seite sechs. Und auch da an einem ungewöhnlichen Ort. ‚Fortbewegung der leichten Art‘, stand verlockend über einer C&A-Anzeige für Schuhmoden. Darunter klebten aufgefächert meine Fotos. Statt modischer Treter erschien versetzt immer wieder der Gottesanger. Ich muss sagen, das Ganze sah ungemein künstlerisch aus und peppte die Anzeige enorm auf.
Der findige Jelzick hatte natürlich auch gleich des Rätsels Lösung – ein Polizeireporter ist eben ein halber Detektiv. „Da hat Willy wohl mal wieder den Bauchkleber gemacht!“
Offensichtlich hatte Willy, der seinen umfangreichen Bauch gerne auf die Tischkante stützte, die selbstklebenden Fotos nichtsahnend auf diese Weise an der falschen Stelle platziert. Ich wusste nicht so recht, ob ich lachen oder weinen sollte. Hätte ich bloß nichts über Gundula gesagt, dann wäre ich jetzt aus dem Schneider.
„Nun guck bloß nicht so trübsinnig aus der Wäsche! Du hattest die Fotos ja nicht verschusselt“, tröstete mich der ahnungslose Jelzick.
Herbie wuchs heute, sobald er in meine Nähe kam. Er reckte sich auf die Zehenspitzen, straffte die Schultern und fragte mit belegter Stimme: „Du bist neu in der Stadt und kennst sicherlich noch nicht viele Leute hier. Hättest du nicht Lust, heute Abend bei mir vorbeizukommen? Wir könnten ein Glas Wein trinken.“ Als ich nicht sofort antwortete, schob er hastig hinterher: „Meine Frau ist mit den Kindern verreist.“
Aha, daher wehte der Wind. Da fiel mir etwas ein: „Hast du ein richtiges Haus mit allem drum und dran?“
Verständnislos guckte Herbie mich an.
„Ich meine mit Terrasse, Einbauküche, Badewanne ...“, zählte ich harmlos auf, wobei es mir nur auf Letzteres ankam.
Herbie nickte verwundert.
„Ne, das finde ich klasse, wenn man so was hat!“, begründete ich meine seltsame Fragerei. „Also um neun bin ich da!“
Mein Kollege strahlte, bildete ich mir zumindest ein. Jedenfalls beflügelte mich meine weibliche Attraktivität und weckte neue Lebensenergie. Ich lieh mir von Herbie 20 Euro, um endlich das Sparbuch für Vic zu eröffnen. Leider rann mir Geld immer durch die Finger. Ich gab es schneller aus, als ich es verdiente. Für Klamotten, Zigaretten, Drinks und was weiß ich ... Das musste anders werden – Sparbuch war ein super Anfang!
Die Rosenhagener Oberschicht beschränkte sich auf zwei Wohnalternativen. Entweder das großzügige Anwesen im grünen Vorort oder die exklusive, toprenovierte Jugendstilvilla im Zentrum. Daran konnte Herbie mit seinem weißen Bungalow am Stadtrand nicht kratzen, aber die relativ neuen Einfamilienhäuser der Siedlung am Beimermoor signalisierten ganz passable Gehälter der Anwohner. Bonanzafahrräder, Gokarts, Bobbycars, Sandkästen und Schaukeln ließen auf eine kinderreiche Nachbarschaft schließen. In den meisten Carports parkten zwei Autos: der Mercedes für ihn, der Kleinwagen oder Kombi für sie – spekulierte ich klischeehaft. Eine Kolonie der Besserverdienenden.
Mir blieb nur eine möblierte Einzimmerwohnung in einem Mehrfamilienhauswohnblock gegenüber vom städtischen Parkhaus, die
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