Mordsschock (German Edition)
nach Hause. Sie konnte mir also nicht helfen. Dabei war ich mir sicher, meine Bilder als Kopien und fertig zum Aufkleben auf die Seiten in der Technik gesehen zu haben.
Das interessierte meinen aufgebrachten Chef herzlich wenig. „Verflixte Schlamperei! So was können wir uns nicht leisten. Um alles muss man sich selbst kümmern, sonst klappt nichts“, jammerte und schimpfte er gleichzeitig. Seine Figur umgab er dabei mit einem Märtyrerschein, sodass ihn jeder Außenstehende stark bedauert hätte: ein Chef, der zwangsweise alles alleine regelte, weil er von einem Haufen Idioten umgeben war!
Gundula ließ sich diese Szenen natürlich nicht entgehen. Beschwichtigend strich sie dem entnervten Wagner über den haarigen Arm und murmelte halblaut: „Wir dürfen sie eben nicht überfordern. Es war doch ihr erster Aufmacher."
Aber der Chef ließ sich nicht beruhigen, schließlich mussten die Seiten ja in die Druckerei, seine schöne Eins war bisher eine reine Bleiwüste.
Zufällig fiel mein Blick auf die hinter dem Chef lauernde Gundula, die entgegen der angespannten Situation seltsam zufrieden wirkte. Hatte die was mit dem Verschwinden meiner Bilder zu tun?
Als Retter in der Not tauchte Herbie auf. Das Theater hier unten war mittlerweile in die Redaktionsräume hochgedrungen. „Wir können meine Bilder von der Tierschau nehmen. Barbara hatte sie schon für morgen fertig gemacht. Mit einem Bild reißen wir den morgigen Artikel einfach auf der Eins an“, schlug er vor.
Wagner japste erleichtert und keuchte: „Los schnell, so machen wir es!“ Langsam wich die Röte aus seinem Gesicht, die Adern schwollen ab. Wahrscheinlich sank auch sein Blutdruck wieder.
Ich empfand in diesem Moment warme Gefühle für Herbie, der die Treppen raufraste, um die neue Bildunterschrift in den Computer zu hacken. Hacken war übrigens das richtige Wort für Herbies Art und Weise, die Tastatur zu malträtieren. Ich hatte nie jemanden gesehen, der so schnell schrieb und dabei gleichzeitig so einen tönenden Anschlag erzeugte.
Geknickt packte ich meine Sachen zusammen. Das falsche Gepfeife von Gundula, die zu einer Pressekonferenz abzog, erinnerte mich wieder an meinen Verdacht.
Wagner kam nach oben und zitierte mich prompt in sein Büro, um mir eine gepfefferte Standpauke zu halten. Jeder müsste sich darum kümmern, dass die Fotos vollständig zu den Texten vorhanden wären, schließlich seien wir kein Kindergarten und und ... Seine Rede entwickelte die Dimension einer Abmahnung.
Mir wurde ganz heiß, während ich gleichzeitig bis in die Zehenspitzen fror. Plötzlich flutschten mir Worte raus, die ich besser für mich behalten hätte: „Ich schwöre, die Abzüge lagen neben den Texten. Es muss sie jemand mit Absicht weggenommen haben. Ich ...“
Wagner fiel mir ins Wort. „Ach, Unsinn! Wer tut so was?“
„Fragen Sie Frau Zöllner! Sie ist nicht gut auf mich zu sprechen. Und vorhin war sie lange unten bei Willy. Ihr würde ich zutrauen, dass ...“ Der Rest meiner Anklage blieb mir im Halse stecken, als ich das finstere Gesicht meines Chefs sah.
„Haben Sie Beweise?“
Aufgrund seiner eiskalten Stimme hielt ich es für klüger, einen Rückzieher zu machen. „Bitte, vergessen Sie, was ich gesagt habe!“ Ehe er antwortete, verließ ich das Büro und bereitete mich seelisch auf meine zweite Kündigung innerhalb von drei Monaten vor.
Im Laufe des nächsten Tages versuchte ich krampfhaft, unsichtbar zu sein.
Mein bedrücktes Gesicht fiel der Riechling auf. Sie bot mir eine Krokantpraline an und fragte neugierig: „Sie haben wohl Ärger?"
Die Praline quoll in meinem Mund zu einem Hefekloß auf.
„Sicher mit Gundula. Die gönnt ja keinem was. Als ich mal früher nach Hause bin, wegen eines Arzttermins, hat sie mich gleich angeschwärzt. Von wegen – das ständige Telefonklingeln wäre nicht zum Aushalten. Und sie habe sich geopfert und meinen Dienst neben ihren zahlreichen anderen Aufgaben mitübernommen.“ Zärtlich streichelten die Blicke der Riechling ihre Pralinen. Sie zog ein viereckiges Stück Nussnougat aus der Schachtel und steckte es sich langsam und genussvoll in den Mund. Während sie kaute, glühten ihre teigigen Wangen glücklich. „Wissen Sie, dass die in den Chef verliebt ist? Die schmeißt sich an die Männer ran. Neulich hat sie ...“, die Dicke flüsterte mir Klatsch ins Ohr, ihre schokoladige Nussnougat-Fahne lullte mich ein.
In solchen Momenten mahnte mich eine innere Stimme: Pfui, Tratschen ist
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