Mordsschock (German Edition)
Hechtsuppe, weil die Tür sperrangelweit offen stand.
Auf der Treppe wurde gestritten. „Max! Du sollst mich mit deinen albernen Fantasien in Ruhe lassen. Ich bin die ganze Strecke alleine durchgefahren, um Papi zu überraschen. Ich bin jetzt müde und habe keine Nerven für deine Spinnereien“, sagte eine strenge Frauenstimme.
Max plärrte und schrie: „Da ist wirklich ’ne Frau in der Wanne. Immer sagst du, ich lüge. Aber ich lüge nie! Guck!“ Der wahrheitsliebende kleine Kerl zerrte seine Mutter ins Bad.
Ich stand so da, wie ich einst auf die Welt gekommen war. Ich schlang ein Handtuch um die intimsten Körperteile. Mehr aus Rücksicht auf die jugendlichen Augen von Max als auf die seiner Mutter. „Guten Abend“, begrüßte ich die erschrockene Frau.
Entsetzt starrte sie mich an. Stand ihr nicht schlecht. Es passte zu ihrer blonden Hochsteckfrisur, den blauen Augen und der schlanken Figur in Pulli und Jeans. Leider war sie nicht viel reifer als ihr Sprössling, denn prompt kreischte auch sie mit hoher Stimme: „Ahiiiiii! Herbert, wer ist das denn?“
Ihr Ehemann klammerte sich inzwischen mit mulmigem Gesicht am Türrahmen fest und betrachtete skeptisch die Begrüßungsszene. „Darf ich vorstellen, das ist meine neue Kollegin. Sie kennt noch nicht so viele Leute, und da dachte ich ...“, stotterte er.
Ehe Herbie sich selbst ins Unglück redete, unterbrach ich ihn. „Die Sache ist die: Ich habe in meiner neuen Wohnung keine Badegelegenheit. Und da war Ihr Mann so freundlich, mich hier baden zu lassen.“
Weil ich wenig Lust verspürte, einem Ehekrach beizuwohnen, zog ich mich in Windeseile an und verließ das gastliche Haus.
Kapitel 6
Ich wollte meinen lieben Kollegen zeigen, welche brillante Journalistin in mir steckte! Aber die guten Geschichten lagen in einer soliden Kleinstadt nicht auf der Straße. Ich pendelte zwischen Kaninchenzüchtern, Wohltätigkeitsbasaren und Häkelclubs hin und her. Während ich beim Seniorennachmittag im Gemeindehaus Fotos machte, schnappte ich zufällig ein Gespräch zwischen zwei alten Damen auf.
„Wo ist eigentlich Hildegard? Die habe ich lange nicht gesehen“, wisperte eine graugelockte, füllige Frau mit weißer Folklorebluse und braunem Wollrock ihrer Nachbarin zu.
Die Angesprochene, eine dürre Frau im Blümchenkleid, die ihre Haare zu einem altmodischen Knoten zurückgesteckt trug, stellte die bauchige Kaffeekanne ab, aus der sie sich eben nachgeschenkt hatte. „Hildegard ist nach Mallorca geflogen. Sie brauchte Abstand. Du weißt ja, dass Hildegards Enkelsohn Peter sich in der Kieskuhle totgefahren hat. Dieses Unglück war natürlich ein schwerer Schlag für die Familie!“
Ich zögerte höchstens eine halbe Minute. Jener Peter musste der Nachwuchspolitiker Peter Heimann sein, der zugedröhnt mit seinem Auto einen Abhang hinuntergestürzt war. Vielleicht ließ sich aus diesem Drama etwas drehen.
Energisch trat ich zwischen die beiden alten Damen und zwitscherte mit meiner nettesten Stimme: „Ach, entschuldigen Sie bitte! Ich habe zufällig Ihre Unterhaltung mit angehört. Dieser Peter, das war doch der Politiker?“
Die füllige Frau nickte eifrig, sodass ihre Locken nach links und rechts pendelten.
„Kannten Sie ihn gut?“
„Vom Sehen. Netter Junge! Fleißig, korrekt und hilfsbereit“, schwärmte die Füllige, während die Dürre mich mit zusammengepressten Lippen misstrauisch beäugte.
Ich ließ mein Gehirn kurz rotieren. Auf Peter Heimanns Drogenkonsum brauchte ich die beiden gar nicht erst anzusprechen, in dieser Richtung wussten sie garantiert nichts. Mir ging der erste Unglücksfall am gleichen Ort nicht aus dem Kopf. Wenn auch die Ermittlungen der Polizei in beiden Fällen auf Selbstmord lauteten, leuchtete mir der Zufall nicht ein. Meine ‚Gruppenzwang-Theorie‘, die ich Herbie ohne große Resonanz erläutert hatte, keimte wieder. „Haben Peter und seine Freunde in der Kieskuhle öfter Autorennen veranstaltet?“, startete ich in die Offensive.
Die beschauliche Idylle einer Kleinstadt lassen sich ihre Einwohner nicht von einer ehrgeizigen Journalistin vergiften. Jedenfalls sanken die Mundwinkel der beiden Damen bis zum Fußboden, und die Füllige funkelte mich böse an. „Was wollen Sie von uns?“
„Fahren junge Leute manchmal in der Rosenhagener Kieskuhle mit ihren Autos um die Wette?“, wiederholte ich geduldig, als wäre sie zu alt, um mich auf Anhieb zu verstehen.
„Ich weiß nicht, was Ihre Fragerei
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