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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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hinterher.
    Ich hastete durch die Fußgängerzone mit den Geschäften links und rechts, folgte dem Lauf der Biste. Oder war das hier schon die Tale? Ich hatte das mit den Flüssen noch nie verstanden. Hinter der Brücke erblickte ich am Wanderweg ein riesiges kastenförmiges Gebäude: das Finanzamt, dahinter lag die Polizei. Auf der anderen Seite befand sich der alte Friedhof, dessen Gräber neulich von Neonazis mit Hakenkreuzen verschandelt worden waren – ich erinnerte mich an Jelzicks Artikel darüber. Die Tale floss hier als richtig breiter Fluss an mit Bäumen und Büschen bewachsenen Grasflächen entlang. Das war also das Gelände des Gottesangers.
    Im Schilf tummelten sich Blesshühner und Enten. Sie schnatterten, quakten und quietschten so aufgeregt, als sammelten sie sich bereits zu einer Protestdemo gegen die geplante Bebauung ihres Reviers. Die Sonne knallte mit der ganzen Kraft, zu der sie im Frühling fähig ist, auf das braune, unergründliche Wasser. Es roch leicht faulig. Hohe Silberpappeln und Birken, die sonst Schatten spendeten, waren kahl. Efeuranken hielten die Stämme fest im Griff. Nur die gelben Papierkörbe und die Kühe auf den welligen Wiesen am anderen Ufer signalisierten die nahe Zivilisation. Und nun rollten bald die Bagger und walzten das Stückchen Idylle platt! Frau Hanselmanns Bedenken fand ich in diesem Moment plausibel.
    „Ja, jetzt müsste man jung sein!“
    Erschrocken guckte ich hoch.
    Vor mir stand ein alter Mann. Die Einkaufstüten im Arm deuteten darauf hin, dass er mir von der Stadt aus gefolgt war. „Ist das nicht schön? Hier ein Häuschen am Fluss zu haben, ist ein Traum! Die hätten mal zwanzig Jahre früher diese Lumpen vertreiben sollen! Dahinten haben sie gehaust.“ Er zeigte den Weg hinunter, wo ich die Überreste eines verfallenen Gebäudes entdeckte, das Büsche und Efeu bereits überwucherten.
    „Sind die schon länger weg?“
    „Ja, nur das Gelände wollten sie bisher nicht aufgeben. Ein Jammer, jetzt bin ich zu alt, um neu zu bauen.“
    Ich holte meine Kamera heraus und knipste das Areal, auf dem so viele Hoffnungen ruhten, von allen Seiten. Die Entendemo löste sich auf, die Vögel paddelten flussabwärts.
    Hätte ich in diesem Moment gewusst, wie viel Blut wegen dieses Stücks Land vergossen werden würde, wäre ich in die Tale gesprungen und den Enten hinterher geschwommen!
     
    Während der Redaktionskonferenz wurde mir eine unerwartete Ehre zuteil: Da keiner eine besonders hitverdächtige Geschichte in petto hielt, wurde der Gottesanger Aufmacher.
    Ich glaubte, ein leises Zähneknirschen aus Gundulas Richtung zu hören. Stolz setzte ich mich an meinen ersten Aufmacher. Ich schrieb eine Jubel-Geschichte über die gestrige Sitzung: Alle waren glücklich und zufrieden – die Politiker, weil sie die Sekte vertrieben hatten, und die Bürger, weil sie auf gute Grundstücke hofften. Man durfte mit der Wahrheit nicht allzu pingelig sein, wenn man eine Zeitung im Sinne der Leser konzipierte.
    Wagner kam aus der Mittagspause, warf einen Blick auf den Artikel und war zufrieden. Außerdem schlug es gerade 15 Uhr, die Zeit, wo er sich auf den Heimweg machte und sein Stimmungsthermometer meistens automatisch nach oben kletterte. Er klemmte seinen Jutebeutel unter den Arm, hängte sich das knitterige Leinenjackett über die Schulter und verschwand pfeifend über die knarrenden Holzstiegen zum Ausgang. Nicht ohne dass die dicke Riechling wie stets hinter seinem Rücken den Kopf schüttelte.
    Als er die Eingangstür von der anderen Seite zuschlug, kam Bernd aus der Technik angerannt und rief: „Chef, wir haben Probleme mit der Eins!"
    Mit gerunzelter Stirn brach Wagner seinen Feierabend ab und wanderte in die unteren Räume. Kurze Zeit später verlangte er nach mir.
    Mitleidig guckten mich meine Kollegen an.
    „Wo sind die Fotos vom Gottesanger?", herrschte er mich an.
    „Das weiß ich nicht. Die Abzüge waren vor zwei Stunden schon fertig", antwortete ich ahnungslos.
    Das war meinem Chef egal. Er hörte nicht mehr zu, sondern tobte weiter. Sein hageres Gesicht war vor Anstrengung ganz eingefallen, dünne Adern traten stark hervor.
    „Die Seiten müssen gleich weg. Wir können die Eins nicht ohne Foto erscheinen lassen!"
    Fieberhaft durchsuchte ich alle Ablage-Körbe, Regale und Sonstiges in der Nähe. Vergeblich. Die Fotos blieben verschwunden. Leider schob Barbara nur einen Halbtagsjob, gegen frühen Nachmittag hatte sie meistens alle Abzüge fertig und ging

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