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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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stark an meinen finanziellen Möglichkeiten schabte und mich ständig mit dem Kohleintopf-Geruch meiner Nachbarin belästigte.
    Gegen Fremdgerüche war Herbie gefeit – den Abstand zu den Häusern links und rechts regulierten einige hochgewachsene Kiefern und ein Zaun. So ein kleines Häuschen mit Garten wäre für Vic und mich genau das Richtige ...
    Ich verscheuchte meine Hollywoodfamilienträume und klinkte die weiß lackierte Pforte auf, die in einen gepflegten Garten mit der typischen Stiefmütterchen-Narzissen-Tulpen-Gruppe führte. Eine gelb blühende Forsythie lockerte das Bild farblich auf. Es dämmerte schon. Plötzlich hörte ich seltsame, hohe Schreie. Hinter der Asphaltstraße, die durch die gesamte Siedlung lief, führte ein Sandweg an einem kleinen Teich vorbei direkt ins Moor. Aus dieser Richtung kamen die Schreie. Es klang gespenstisch, als sei die friedliche Idylle glücklicher Familien bedroht. Ich fröstelte. Rasch ging ich an einigen feinsäuberlich aufgereihten Buchsbäumen in Kübeln vorbei und klingelte.
    „Was sind das für unheimliche Töne?“, fragte ich Herbie anstatt einer Begrüßung.
    „Die ersten Auerhähne auf der Balz. Brunftschreie.“
    „Hua, klingt ja schaurig!“ Ich schüttelte mich und trat mir ohne Aufforderung die Füße auf einer Bastmatte ab. Der rote Steinboden des Vorflurs glänzte so, dass ich bedenkenlos dort ein Picknick veranstaltet hätte. Kein Kinderspielzeug auf dem hellen Parkett, keine Zigarettenkippen in Blumentöpfen, kein schmutziges Geschirr auf den Tischen. Der blaue Teppich sah gesaugt aus, die blaugemusterte Garnitur war fleckenlos und die weiße Schrankwand staublos.
    „Wie aus der Werbung!“, lobte ich Herbie, der mich sportlich leger im karierten Holzfällerhemd und Jeans empfing. Zwischen einer blütenweißen Häkeldecke und einem gedrechselten Kerzenhalter hatte er auf dem Couchtisch eine Flasche Beaujolais mit zwei Gläsern und diverse Knabbersachen deponiert. Im Hintergrund säuselte eine Klassik-CD.
    „Willst du die Kerzen nicht anzünden? Das finde ich obergemütlich!“, fragte ich meinen Gastgeber und sank in einen der tiefen, beigefarbenen Sessel. Dieses Modell hatte Herbies Gattin sicher extra ausgewählt, um ihren ohnehin schon schmächtigen Mann mehr zu ducken.
    Während Herbie nervös mit einem Feuerzeug herumfummelte, heimlich seinen angekokelten Daumen abpustete und im Sessel verschwand, lenkte ich ihn auf sichere Pfade. Sein Vorrat an Mut schien mit der Einladung an mich aufgezehrt. „Politik war mir bisher egal. Ich glaube, ich bin das, was man eine Wechselwählerin nennt. Mal hier, mal da – das passt schon! Aber diese Typen von den Konservativen sind ja echt nett. Haben sich bei der Sitzung gleich vorgestellt. Und dann die Einladung von Ken Winter zu der Party.“ Ich schickte ihm einen naiven Augenaufschlag.
    Es funktionierte. Herbie wuchs im Sessel. Ein unverfängliches Thema, bei dem er seine Überlegenheit ausspielte. „Na klar, das ist normal. Die Opposition macht stets die bessere Pressearbeit. Sie wollen ans Ruder. Dazu brauchen sie natürlich jede Menge PR. Am besten wäre für ihren Stimmenfang irgendein von der Regierung verzapfter Bockmist, mit dem sie dann hausieren gehen können.“
    „Dieser von Stetten will wohl Huber ablösen und Bürgermeister werden?“
    „Logisch, nächstes Jahr sind Wahlen. Da geben die Konservativen jetzt richtig Gas.“
    „Und dabei sind zwei von ihnen auf der Strecke geblieben ...“
    „Du meinst die Toten in der Kieskuhle? Tja, der Ehrgeiz bei den jungen Leuten in der Partei ist enorm, das lässt manche vielleicht privat aus dem Ruder laufen. Schaffen sie es nächstes Jahr, werden jede Menge gute Pöstchen neu verteilt. Das baut Druck auf, viele wollen sich profilieren. Aber ich glaube, es ist einfach ein makabrer Zufall, dass beide in der gleichen Partei waren. Du darfst nicht vergessen, wir leben in einer Kleinstadt. Viele Leute sind politisch engagiert oder in Vereinen. Merkwürdige Zufälle sind hier normal.“
    „Wir haben als Jugendliche so lange die Luft angehalten, bis wir ohnmächtig wurden. Am besten ging es, wenn man den Kopf fest in einen leeren Müllsack steckte. Wer als Erster umkippte, hatte gewonnen. ‚Ins Koma fallen‘ haben wir das Spiel genannt. Vielleicht gibt’s bei den jungen Konservativen auch so einen Gruppenzwang? Aus Langeweile kommen manche auf die verrücktesten Ideen.“
    „Ein Spiel mit tödlichem Ausgang?“ Herbie schüttelte den Kopf.

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