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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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verhört.“ Jelzick rutschte von der Bank herunter und eilte mit Elefantenschritten, soweit seine hängende Jeans das zuließ, auf das Rathaus zu, aus dem der Kommissar eben kam.
    Es begann zu regnen. Ein heftiger Schauer, der ungebremste Wasserfälle aus düsterem Himmel auf die Erde jagte, wie er im Mai häufig losplatzt. Er trieb die letzten Grüppchen Schaulustiger auseinander.
    Ich rannte in Richtung Rathaus, um unter dem schützenden Vordach dem Gespräch von Jelzick und Herder zu lauschen.
    Der sturzbachartige Regen wusch die Blutlache vom Pflaster weg, als wäre nichts geschehen. Auch die Kreidespuren, welche die Umrisse von Christine Rieckens Körper am Tatort fixiert hatten, verschwanden nach und nach mit den Wassermassen. Die Polizeiautos fuhren weg. Nur ein roter Volvo stand einsam vor dem Rathaus. Sicherlich Herders Wagen. Ansonsten herrschte striktes Parkverbot.
    Der Marktplatz, eben noch so belebt, leerte sich schlagartig. Wer konnte, suchte in den Wohnungen, Geschäften oder Büros Unterschlupf.
    Ein nasser Hund lief über das Kopfsteinpflaster auf die Stelle zu, wo Christine Riecken gelegen hatte. Er schnüffelte kurz, wackelte weiter, hob an der Drahtbank, wo ich gesessen hatte, ein Bein und flitzte die Fußgängerzone entlang.
    Es sah aus, als ob nichts geschehen wäre. Als wäre das Drama von eben nur ein böser Traum gewesen, und es hätte nie eine junge Frau gegeben, die in den Tod gesprungen war. Jede Spur von Christine Riecken war ausgelöscht.
    Komischerweise spülte der Regen auch meine Übelkeit weg. Mir ging es besser. Nun, wo das Leben auf dem Rathausmarkt seinen normalen Lauf an einem feuchten Maivormittag nahm, gewann ich von Minute zu Minute größeren Abstand zu dem furchtbaren Ereignis.
    „Sie muss auf der Stelle tot gewesen sein. Genickbruch“, erklärte Herder eben, als ich mich zu ihm und Jelzick gesellte. Er begrüßte mich. Weicher Händedruck diesmal. Wieder zog mir der unpassende Lavendelduft in die Nase. Der dunkle Schnauzer zitterte traurig in seinem blassen Gesicht, in dem sich die Anzahl der Falten um Mund und Augen seit der Party bei Winter verdoppelt hatte. Tiefe Furchen gruben sich in seine Wangenknochen ein. Christine Rieckens Tod erschütterte Herder sichtlich. Es handelte sich nicht um irgendeine Tote, die er in seiner Eigenschaft als Kommissar begutachtete, sondern um seine Parteikollegin. Am Trenchcoat klebten Dreck und Blutspritzer, Überreste seiner Ermittlungen.
    „Was sagen die Leute, die im Rathaus arbeiten? Irgendjemand muss sie beobachtet haben“, nahm Jelzick seine Befragung wieder auf.
    „Die Mitarbeiter machen heute einen Betriebsausflug. Nur eine Notbesetzung ist anwesend. Ich habe mit allen gesprochen. Niemand hat Frau Riecken vorher gesehen.“
    „Meinen Sie, sie hat sich bewusst diesen Tag ausgesucht und alles geplant?“
    Herder zuckte die Achseln. „Ich fürchte, ja.“
    „Sie glauben also an Selbstmord?“, schaltete ich mich ein.
    „Alles deutet darauf hin.“
    „Kann jeder ins Rathaus gehen, die Treppen hochspazieren und auf den Balkon wandern?“
    „Nein, natürlich nicht. Aber in ihrer Funktion als Mitglied des Kulturausschusses kannte sich Frau Riecken in den Räumlichkeiten genauestens aus. Die Ausschüsse tagen manchmal dort. Das Balkonzimmer ist kein Büro, sondern ein Konferenzraum. Nicht einmal, wenn sie jemand gesehen hätte, wäre ihre Anwesenheit aufgefallen. Es hätte ja sein können, dass sie eine Sitzung vorbereitete.“
    „Wer hat sie als Erster bemerkt?“
    „Passanten haben den Aufprall gehört und sind sofort zu ihr hin gelaufen. Einer hat sogar Wiederbelebungsversuche gemacht. Aber, wie gesagt, zu spät.“
    Ich knuffte Jelzick, damit er weiter in den Eingang vorrückte. Der Regen drang inzwischen schräge unter das Dach. Ich spürte bereits einen feuchten Streifen auf meinem Rücken. „Warum sollte Christine Riecken so etwas tun? Es gehört viel Mut dazu, vom Rathausbalkon zu springen. Warum nahm sie nicht Tabletten oder schnitt sich die Pulsadern auf?“
    Jelzick sandte mir einen überraschten Blick. Von dieser brutalen Seite hatte unser Polizeireporter mich bisher nicht erlebt.
    Herder wusste keine Antwort. „Die Ermittlungen beginnen erst. Zu einem möglichen Motiv kann ich Ihnen nichts sagen.“
    „Als Parteikollegin kannten Sie Christine Riecken privat. Ist Ihnen in letzter Zeit irgendetwas an ihr aufgefallen?“ Ich blieb hartnäckig.
    „So genau kannte ich sie nicht. Sie war keine Stadtverordnete,

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