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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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Verwaltungsunterlagen, Notizen über Christine Rieckens Tod und ein angebissenes Käsebrötchen. Der Gottesanger, die angeblichen Selbstmorde der drei jungen Politiker – alles war so verworren. Wo sollte ich anfangen zu recherchieren?
    „Schnell, Sie müssen den Termin von Herrn Dabelstein wahrnehmen! Er hat sich eben krank gemeldet. Um vierzehn Uhr ist er mit der Ziegler zum Interview verabredet. Das kann auf keinen Fall verschoben werden“, störte Wagner meine Grübeleien.
    Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich seine Schritte gar nicht gehört hatte.
    „ Die Ziegler?“
    „Ja, sie wohnt in Rosenhagen. Wussten Sie das nicht? Hier ist die Adresse!“ Hektisch schob Wagner mir einen Zettel zu. Er wirkte so, als ob er mich am liebsten persönlich von meinem Schreibtischstuhl gehoben und zum Interview mit der alternden UFA-Diva getragen hätte.
    „Okay! Ich habe Homestorys bei Rita Martinek, Ellen Maybach, Dietmar Bitterfeld und ... Schon gut!“ Ich bremste meinen Redefluss, als ich Wagners fragendes Gesicht sah.
    Fiona Ziegler galt zu Zeiten meiner Urgroßeltern als Star. So eine von den Frauen, deren Bilder damals an den Spinden der Soldaten klebten. Sie hatte einige erfolgreiche Filme gedreht, verschwand später in der Versenkung und gab jetzt ab und zu in irgendwelchen zweitklassigen Talkshows ihre Lebensweisheiten zum Besten.
    Die Ziegler wohnte nicht weit vom Zentrum entfernt in einem unscheinbaren Mittelreihenhaus, das mal bessere Tage gesehen hatte. Die Farbe blätterte von der Hausfassade. Zerbrochene Dachpfannen lehnten neben einer schmutzig grauen Eingangstür, vor der eine halbabgerissene Zeitungsrolle baumelte. Ehe ich auf den von zarten Spinngeweben umgebenen Klingelknopf drückte, wurde die Tür aufgerissen, und eine fette Frau mit wirren grauen Locken im verwaschenen Blümchenkleid stürmte heraus.
    Ich wich instinktiv zurück.
    Sie schwenkte einen Besen und fegte den Eingang. „Fort, fort“, summte sie in seltsamem Singsang und tat, als wolle sie mich mit wegfegen.
    „Verzeihung, ich komme zum Interview mit Frau Ziegler.“
    Die Fette lachte meckernd. „Sie müssen nicht alles so ernst nehmen. Kommen Sie rein!“
    Im Flur hatte ich kurz Zeit, um eine ganze Reihe von vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos an der Wand zu bewundern, die eine wunderschöne junge Frau zeigten. Weiche Wellen umrahmten ebenmäßige Gesichtszüge, in denen dunkle Augen lebhaft funkelten. Der volle Mund entblößte beim Lächeln auf jedem Bild eine Reihe makelloser Zähne. Ihre schlanke, wohlproportionierte Figur wirkte in den engen Wespenkostümen, die sie trug, aufreizend. Deutlich zeichneten sich die Linien von Po und Busen ab. Für heutige Begriffe war die junge Frau züchtig bis spießig gestylt. Aber sie besaß diese gewisse Ausstrahlung, der Glamour und Erotik von anno dazumal anhaftete. Die Ziegler in ihrer Blüte! Kein Vergleich zu dem schlampigen fetten Weib, das vor mir her watschelte.
    Aus dem Wohnzimmer erklangen gedämpfte Stimmen. Fiona Ziegler bugsierte mit der Spitze ihres Pantoffels eine Kolonie von leeren Whiskey-, Wein- und Bierflaschen unters Sofa. Anscheinend trainierte sie dieses artistische Kunststückchen seit Jahren. Die Diva holte aus einem dunkelbraunen Sideboard, auf dem viele Besucher ihre Initialen ins Holz geritzt hatten, eine frische Flasche Wein und zwei Gläser hervor.
    Staunend fragte ich mich, ob sie alle diese Flaschen allein geleert hatte. Aber als die Diva mit gierigem Augenfunkeln den Wein einschenkte und ihr Glas unmittelbar danach hastig austrank, hegte ich keinen Zweifel mehr.
    Das aufgedunsene Gesicht schaute für ihr fortgeschrittenes Alter relativ glatt aus – abgesehen von den verlebten Linien um die Augen herum. Entweder sie legte sich in regelmäßigen Abständen unter das Messer irgendeines Schönheitschirurgen oder ihre Trinkkuren wirkten Wunder.
    Ich ließ meinen Blick durch das speckige Zimmer gleiten, das einem abgetakelten Museum glich. Überall vergilbte Fotos, alte Statuen und Preise, die Fiona Ziegler gewonnen hatte. Dazu passten die ramponierten, knallroten Plüschmöbel hervorragend. Aus dem Rahmen fiel ein gewaltiger Fernseher. Ein Hightech-Monster mit überdimensionalem Bildschirm. Jetzt lief gerade eine von den nachmittäglichen Talkshows. In halblautem Ton kreischten sich zwei Teenager-Mädchen vor den Studiogästen an. Sie beschuldigten sich gegenseitig, der anderen den Freund ausgespannt zu haben. Offensichtlich stand Fiona Ziegler auf

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