Mordsschock (German Edition)
Schweißtröpfchen. Sogar die Gläser seiner Brille, die er heute trug, funkelten untadelig.
Als Ehrhardt für mich einen riesigen Bananasplit bestellte, tupfte ich mir heimlich mit einer Serviette den Schweiß unter den Achselhöhlen weg. Ich ließ das Eis auf der Zunge zergehen. Ein Gute-Laune-Kick. Ich lächelte Ehrhardt spontan an.
Diese Geste verwirrte ihn. Jedenfalls hielt er den Kopf jetzt wie bei unseren Begegnungen zuvor schräge, was ihm diesen verlegenen Touch verlieh.
Ich fand das süß. Sympathischer, als wäre er so perfekt, wie er es zu sein vorgab.
Als ich ein Stück Banane auf die Gabel spießte – Bananasplit isst man traditionell mit Löffel und Gabel –, fiel mir mein bananenfressender Chef ein, und ich besann mich auf den Anlass unseres Treffens. „Was haben Sie gehört?“
„Ein Freund von mir ist Architekt, der erzählte, der Bürgermeister habe bei einem Kollegen von ihm eine Traumvilla in Auftrag gegeben.“ Ehrhardt machte eine kleine Kunstpause, in der er sich krampfhaft bemühte, den Sahneschaum vom Cappuccino von seiner Oberlippe zu entfernen.
„Wenn er sich das leisten kann!“
Ehrhardt leckte sich die Lippen voller Vorfreude darauf, was er mir gleich mitteilen würde. „Ja aber, wissen Sie, wo die stehen soll? Auf dem Gottesanger! Und das Grundstück scheint er auch exakt bezeichnet zu haben.“
„Hm, das würde ja bedeuten, er hätte sich eines unter den Nagel gerissen, obwohl das Verfahren angeblich noch läuft.“ Aus Versehen schmierte ich mir ein Stückchen Banane, das ich in den Mund hatte stecken wollen, in die Haare.
Ehrhardt nickte. Sein rundes Gesicht strahlte wie bei einem Kind, das seine Eltern zu Weihnachten mit einem selbst gebastelten Geschenk überrascht hatte. „Ich darf Sie doch bitten, die Angelegenheit streng vertraulich zu behandeln und auf jeden Fall meinen Namen rauszuhalten, oder?“
„Natürlich, Sie haben Informantenschutz. Haben Sie mit Ihren Parteikollegen gesprochen?“
„Nein, ich werde mich informieren, ob wir politisch vorgehen können.“
Ich versprach, seine Erkundungen abzuwarten. Der Rest von meinem Eis schmolz dahin. Das wäre natürlich ein Skandal, wenn es mir gelänge, dem Bürgermeister Korruption oder dergleichen nachzuweisen. Fahrig schoben meine klebrigen Finger den Eisbecher zur Seite. Ein neuer Hoffnungsschimmer!
„Haben Sie sich zufällig mal mit Christine Riecken über den Gottesanger unterhalten?“
Der zufriedene Ausdruck verschwand aus Ehrhardts Gesicht. Meine Frage überrumpelte ihn. Verblüfft setzte er seine Brille ab und putzte sie. „Nein, ich kannte Frau Riecken nur flüchtig. Wir sind alle ganz fassungslos über ihren Tod.“
„Sie soll sich näher mit dem Thema beschäftigt haben.“
„Tatsächlich?“
„Was machte Frau Riecken für einen Eindruck auf Sie?“
„Ich glaube, sie litt an depressiven Anwandlungen. Das sagten jedenfalls die meisten Parteikollegen, nachdem sie von ihrem schrecklichen Tod gehört hatten. In ihrem Kopf muss etwas verrückt gespielt haben, als sie sich zu diesem endgültigen Schritt entschloss.“
„Finden Sie es nicht merkwürdig, dass drei junge Leute aus Ihrer Partei kurz hintereinander Selbstmord begehen?“
Wenig erfreut über diese Spitzfindigkeit, wurde Ehrhardts melodische Stimme schärfer. „Sie dürfen nicht vergessen, dass wir auch nur Menschen sind! Menschen, von denen manche mehr Ideale als andere mit sich herumtragen. Sonst würden sie nicht in die Politik gehen und ihre Freizeit mit dem Kleben von Plakaten sowie endlosen Sitzungen vergeuden. Vor allem die jungen Leute werden oft enttäuscht, wenn sie merken, wie wenig sie tatsächlich in der Stadt bewirken können.“
Mir leuchtete zwar nicht ein, warum verlorene Ideale ein Grund für Selbstmord waren, aber angesichts der Gottesanger-Geschichte wollte ich Ehrhardt nicht weiter verärgern. Außerdem fand ich ihn ganz knuffig, wie er so wütend seine runden Wangen aufplusterte. Das energische Auftreten stand ihm besser als die Softienummer.
„Signore, due cappuccini“, winkte ich den Kellner heran und flirtete ganz unverhohlen mit dem glutäugigen, schwarzhaarigen Italiener, um Ehrhardts Reaktion zu testen. Männer gegeneinander auszuspielen, gehörte von jeher zu den Lieblingshobbys von Lila und mir. Funktionierte meistens, wollte man die Aufmerksamkeit des einen gewaltsam auf sich lenken.
Bei Ehrhardt biss ich auf Granit. Während mir der Kellner, der mich weiß Gott überhaupt nicht
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