Mordsschock (German Edition)
Abgegrabschtes zerknittertes Geld finde ich eklig. Hier, riech mal!“ Voller hielt mir einen Fünfziger unter die Nase.
Er roch angenehm nach Weichspüler. Ich prustete vor Lachen los, sodass Vollers frisch gewaschene Scheine mit meiner Spucke besudelt wurden.
Meistens werden die Abende am nettesten, mit denen man nicht gerechnet hat. Für zwei Stunden hatte ich Christine Riecken, ihre toten Parteikollegen und den Gottesanger komplett vergessen.
Am nächsten Morgen hatte Voller seinen Humor verloren. Das Abenteuer war durchgesickert. Vermutlich hatte Barbara Andeutungen gestreut. Voller wurde von den Kollegen mit Fragen gepiesackt.
„Na, Kleiner, hast du dich in der Dunkelkammer mal so richtig ausgeschlafen?", unkte Gundula beispielsweise.
Voller maulte. Vor allem mit mir, weil er mich verdächtigte, gequatscht zu haben.
Ich fand, Barbara ging langsam zu weit. Ich betrachtete die Negative unter der Lupe. „Du, Barbie, ich habe gehört, du hättest eine Sex-Appeal-Krise?“
Sie fuhr herum. „Was meinst du?“
„Och, das ist momentan Klatschgespräch Nummer Eins.“
„Dieser kleine Wi...“, zischte Barbara zwischen den Zähnen.
Zur Diplomatin taugte ich wohl wie ein Burger zum Bungeejumping.
Eine Redaktion ist ein Kindergarten voller Sensibelchen. Wagner entpuppte sich als Pädagoge. Noch am gleichen Nachmittag legte er Voller nahe, die Qualität seiner Fotos zu verbessern. Aus diesem Grund sollte er sich von Barbara ein paar Tipps geben lassen. Gezwungenermaßen sah man die beiden in nächster Zeit über Brennweiten und Tiefenschärfe fachsimpeln.
Ob Wagner aus eigener Initiative gehandelt oder Barbara sich über Vollers Fotomaterial beschwert hatte, blieb sein Geheimnis. Der Plan funktionierte, und die Friedenspfeifen brannten bald.
Zum Glück auch für Vic und mich. Ich hatte ihr neulich ein Paar Nikes in Kreischorange, Vics Lieblingsfarbe, als Versöhnungsangebot für meine oberlehrerinnenhafte SMS geschickt. Piepsend flatterte ein dickes Herz über das Desktop meines Telefons, in dem stand ‚kuule Schuhe!‘.
Kapitel 9
Aufgeregt berichtete mir Matthias Ehrhardt am Telefon, in Sachen ‚Gottesanger‘ gäbe es wichtige Neuigkeiten. Wir trafen uns in einer Eisdiele in der Fußgängerzone.
Bilderbuchwetter. Am blauen Himmel segelten Schäfchenwölkchen wie duftige Wattebäusche um die Wette. Die Stadt funkelte im Sonnenlicht. Nach den Regengüssen der letzten Tage wirkten ihre Häuser und Wege frisch gewaschen. Der Fluss führte viel Wasser und bahnte sich gluckernd und prustend seinen Weg durch die zierlichen kopfsteingepflasterten Gassen. Kraftvoll drehte sich das große Mühlrad im Seitenwehr. Es rauschte wie ein Wasserfall. Flirrend sprangen die Tropfen in die Luft, wo sie augenblicklich verdunsteten. Jauchzend planschten einige Kinder im Brunnen herum.
Ungerührt reckten die alten Häuser ihre Fassaden wie eh und je der Sonne entgegen, als fürchteten sie, die Feuchtigkeit könnte in ihr Mauerwerk eindringen. Von Stunde zu Stunde gewann die Sonne mehr Kraft. Ein Geruch nach faulen Eiern stieg aus den Gullis hoch und mischte sich mit dem Brötchenduft aus dem Backshop. Die gute Laune, die den meisten Leuten ins Gesicht geschrieben stand, nahm parallel zur wachsenden Hitze ab. Irgendwann sanken die Mundwinkel nach unten auf Regenwetterstimmung. Das große Stöhnen begann.
Café- und Restaurantbesitzer witterten ein gutes Geschäft. Sie zerrten alle verfügbaren Sitzgelegenheiten ins Freie und platzierten Oleanderbüsche und Phönixpalmen in Terracottatöpfen dazwischen. Ein bisschen Bella Italia in Rosenhagen. An den vollbesetzten Tischen und Stühlen saßen die Leute unterm Sonnenschirm, genossen kühles Eis oder heißen Cappuccino und beobachteten süße Mädchen, deren Hosen eben auf der Hüfte balancierten und den Blick auf spitzenbesetzte Stringtangas freigaben.
Ehrhardt sprang hoch, als ich zu ihm an den Tisch trat, und rückte mir einen Stuhl zurecht.
Erleichtert ließ ich mich fallen, klemmte klebrige Haarsträhnen hinters Ohr und war dankbar über den schattenspendenden Sonnenschirm. Ich bewunderte Ehrhardt.
Taufrisch hockte er vor einem Glas Wasser in einem viel zu warmen Nadelstreifenanzug zum blütenweißen Hemd, duftete nach Rasierwasser und reichte mir galant die Karte, wobei er mit leichtem Kopfnicken eine Verbeugung andeutete. Seine Haare lagen glatt zu einem perfekten Seitenscheitel arrangiert. Auf der Stirn gab es nicht die leisesten Anzeichen von
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