Mordsschock (German Edition)
bezeichnete, herumzutreiben. Dank ihres forschen Wesens und ihrer Cleverness hielt sich meine Angst um sie bisher in gesunden Grenzen. Was, wenn sie auf ältere Jungs oder Männer hereinfiel, die sexuelle Spielchen mit ihr trieben?
„Von wem hast du das Heft? Bitte, Vic, sage es mir!“
Meine Stimme hörte sich wohl so flehentlich an, dass sie Mitleid mit mir bekam und mit der Sprache herausrückte: „Es gehört Thilo!“
„Was?“
„Ich musste neulich die oberen Räume saugen. Als Strafe dafür, weil ich mir aus Sophies Torte, die sie für ihr Kaffeekränzchen gebacken hatte, vorher ein Stück gemopst hatte. Die war stinkwütend, als sie ihren Freundinnen die Torte vorsetzte und das Loch entdeckte. Ich hab‘ also im Schlafzimmer Staub gesaugt und dabei 'nen Karton unter Thilos Bett gesehen. Er war weit nach hinten geschoben. Randvoll mit Pornos. Ich dachte, es fällt nicht auf, wenn ich mir mal eins ausleihe. Wegen der Bildung und so.“
Mein braver Schwager las also Pornos! Ob Sophie das ahnte? „Wie hat die Torte geschmeckt?“
„Schwarzwälder Kirsch, war zum Kotzen, hab’ den Rest in den Mülleimer gespuckt.“
Frau Hanselmann, die Naturschützerin, die bei der Stadtratssitzung vehement gegen eine Bebauung des Gottesangers plädiert hatte, päppelte zwei verletzte Störche hoch. Ich beobachtete sie bei ihrer Arbeit, um eine Reportage darüber zu verfassen.
Als ich gehen wollte, verkündete sie: „Ich habe jetzt mehrere Leute hinter mir, die mich in meinem Kampf für Pflanzen und Tiere am Gottesanger unterstützen."
„Ja?“
Sie holte eine Liste mit gesammelten Unterschriften hervor. „Ich bin sogar soweit gegangen, mich selbst um ein Grundstück zu bewerben. So wäre wenigstens ein Teil des Geländes vor den Baggern sicher gewesen. Ich dachte an eine Finanzierung durch Sponsoring großer Firmen und Spendengelder. Man hätte dort ein Biotop einrichten können.“
„Hätte?“
„Wir haben eine Absage bekommen. Alle Grundstücke seien vergeben.“
Frau Hanselmann war zwar eine echte Idealistin, hätte aber trotzdem zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig wie Krügers eine Absage kassieren dürfen. Höchste Zeit, dass ich Huber mit meinem Wissen konfrontierte!
Ich hatte Glück und wurde sofort zum Bürgermeister durchgestellt. Er verhielt sich höflich, und ich verhielt mich höflich.
Sein Tonfall änderte sich ein wenig – nur wenig, schließlich war er Profi –, als ich ihn fragte, warum denn die Grundstücksvergabe vor dem Termin abgeschlossen sei. Offiziell lief sie noch drei Tage.
Huber mimte den Verblüfften. „Wie kommen Sie darauf?“
„Mehrere Bewerber haben bereits Absagen erhalten.“
Jetzt schien der Bürgermeister ehrlich überrascht. „Das kann nicht sein!“
„Die Absagen liegen mir vor.“
Als Huber nichts erwiderte, spielte ich meinen letzten Trumpf aus. „Sie visieren doch auch bereits ein bestimmtes Grundstück an. Ihr Traumhaus ist in Planung?“
Jetzt wurde der Bürgermeister giftig. „Meine Privatangelegenheiten gehen die Öffentlichkeit nichts an!“
Ich blieb hartnäckig. „Trotzdem hätte ich gerne eine Stellungnahme von Ihnen zu den vorzeitigen Absagen!“
Hastig antwortete Huber: „Es müssen Fehler unterlaufen sein. Ich werde das nachprüfen. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht dazu sagen.“ Er legte auf.
Noch fußte die Story auf dünnem Eis. Ich brauchte weitere Details. Also rief ich meinen Rosenkavalier Ehrhardt an, der mich verzückt zum Essen einlud.
Ganz nebenbei jubelte er mir drei Meldungen seiner Partei unter.
Ich traf mich mit Ehrhardt bei dem Rosenhagener In-Italiener. Raffiniert versteckt in einer der schmalen Seitengassen, die von der Fußgängerzone abzweigten, damit der Pöbel nicht einfiel. Che Paolo , das Restaurant hieß nach dem Besitzer, verbarg sich in einem alten Stadthaus. Außen altertümlich anmutend, sodass man eher deftige deutsche Küche erwartet hätte.
Das Duftaroma aus Knoblauch, Basilikum, Tomaten und Mozzarella klärte den Irrtum spätestens am Eingang auf. Innen komplett modernisiert, ganz in Türkis. Alles, vom u-förmigen Tresen bis hin zu den Stühlen, glänzte in dieser Farbe und sorgte für mediterranes Flair. An den Wänden schwammen kleine Fische, die in allen Regenbogenfarben schillerten. Man hatte so ein bisschen das Gefühl, in einem Aquarium zu sein.
Natürlich gehörte Fisch zu den Spezialitäten auf der Speisekarte. Aber seit ich einmal beinahe an einer Gräte erstickt bin, konnte man
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