Mordsschock (German Edition)
und geduldigem Fingerspitzengefühl. Ehrhardt und Konsorten nahmen alles viel ernsthafter und forschten nach gründlichen Beweisen, bevor sie etwas unternahmen.
Ich versuchte, ihn auf die weibliche Tour anzustacheln. Ganz unsympathisch dürfte ich ihm nicht sein. Hätte er mir sonst neulich rote Rosen geschickt? Ich schaute Ehrhardt in die Augen, klimperte leicht mit den Wimpern, beugte mich in seine Richtung über den Tisch und ließ mein Weinglas gegen seines klingen. „Auf den Abend“, hauchte ich ganz sanft, ganz Katze.
Eine leichte Röte huschte über sein Gesicht. „Angenehm!“ Er nickte mir formvollendet zu.
„Rosé ist übrigens meine Lieblingsfarbe.“ Frech schnippte ich gegen seinen Hemdkragen.
Zwischen Gesicht und Hemd gab es keinen farblichen Unterschied mehr. Es sah aus, als wäre Ehrhardts Oberkörper aus einem Guss erschaffen. Von der Stirn die Halspartie bis zum Hosenbund hinunter. Mein Tempo überforderte den jungen Kavalier alter Schule.
Sanft zwitscherte ich: „Finden Sie nicht, die Sache stinkt zum Himmel?“
Irritiert starrte er mich an.
„Die Grundstücksverteilung!“
„Oh ja, aber Frau Campbell, man darf nichts überstürzen. Schreiben Sie um Himmels willen noch nichts!“, beschwor er mich.
Im Themen wechseln war ich unschlagbar. „Sie kannten doch Peter Heimann gut. Er soll sich vor seinem Tode heimlich mit einem Mann mit dunklem Teint getroffen haben. Wissen Sie, wer das sein könnte?“
Ich war entschieden zu schnell für Ehrhardt. Überrumpelt, verschluckte er sich an seinem Wein, den er eben bedächtig gekaut hatte. Er hustete. „Warum ist das wichtig?“
Auch noch begriffsstutzig der Mann! Seine Attraktivität verlor parallel zu seiner Reaktionsgeschwindigkeit. Ehrhardt baute in meinen Augen ab. „Dieser Mann könnte etwas mit Peters Tod zu tun haben oder etwas Wichtiges wissen. Kennen Sie ihn?“
„Nein! Ich habe Peter nie mit ihm zusammen gesehen.“ Ehrhardt wischte sich die Finger in der Serviette ab. „Die Polizei ist sicher, dass es Selbstmord war. Warum beschäftigen Sie sich mit dem Fall?“
„Weil ich nicht an Selbstmord glaube!“
Das saß! Ehrhardts Brillengläser beschlugen. Er machte Anstalten, unbewusst seinen obersten Hemdknopf zu öffnen. Verwirrt fuhr er sich durch die glatt gekämmten Haare, sodass sich auf dem Oberkopf ein Wirbel bildete. Dann nestelte er energisch an dem Knopf herum, als ob ihm der Kragen die Luft zum Atmen abschnürte. Der perfekte Gentleman fiel aus der Rolle. Seine Stimme klang heiser. „Das wäre ja ... Haben Sie Beweise?“
Selbstbewusst lächelte ich ihn kalt an. „Ihre Parteikollegen wurden ermordet. Alle drei!“
Am nächsten Tag schickte Ehrhardt mir als Zeichen seiner Verehrung Pralinen in die Redaktion. Als Anlage waren mal wieder drei Pressemitteilungen dabei, die seinen Parteivorsitzenden zum Helden hochstilisierten. Ich deponierte sie in ‚Ablage P.‘. Nach dem gestrigen Abend begriff ich, dass ich von den zaudernden Politikern keine Hilfe erwarten durfte, wenn ich mit meinen Recherchen vorankommen wollte. Ich musste neue Wege gehen!
Kapitel 12
„Kein Anschluss unter dieser Nummer“ , leierte die monotone Telefonansage, nachdem ich die Nummer von Christine Rieckens Eltern gewählt hatte.
„Meinst du, die Eltern von Christine Riecken sind umgezogen?“, fragte ich Jelzick.
„Keine Ahnung! Aber nach solchen Dramen wechseln die Angehörigen oft ihren Anschluss oder lassen sich ’ne Geheimnummer geben.“
„Weil sie nicht dauernd belästigt werden wollen?“
„Das auch, und du glaubst gar nicht, was für kranke Typen auf den Zug aufspringen. Sie machen Telefonterror oder Schlimmeres. Ich habe mal von einem Fall gehört, wo ein kleiner Junge ermordet worden war. Man fand ihn erwürgt in der Nähe seines Spielplatzes. Die Geschichte lief breit durch die Presse. Der Beerdigungstermin wurde dabei auch bekannt gegeben. Und während die Eltern des Jungen auf der Trauerfeier waren, räumten Unbekannte inzwischen in aller Ruhe das Haus aus. Du siehst, manche Typen schrecken vor nichts zurück!“
Voller, der eben mit von Stetten ein Interview zur infrastrukturellen Entwicklung Rosenhagens geführt hatte, schwang sich auf meinen Schreibtisch, schlenkerte mit seinen überdimensional langen Armen und ließ die dünnen Beine im Takt dazu baumeln.
„Hm, lecker!“ Er steckte sich Ehrhardts Pralinen in den Mund. In seinen Augen glitzerte es verräterisch.
„Heute keine Wehwehchen? Bist du
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