Mordsschock (German Edition)
verliebt?“
„Das ist bei mir ein Dauerzustand. Ich liiiebe alle Frauen.“ Voller breitete theatralisch seine Arme aus.
„Du kannst mir einen Kaffee holen.“
„Habe ich nicht nötig!“
„Dann verschwinde! Ich habe zu tun“, verscheuchte ich ihn grob vom Tisch.
„Ich muss dir was erzählen.“ Voller senkte seine Stimme zu einem Flüstern. „Von Stetten hat mir einen Job angeboten.“
„Als Klomann der Konservativen?“
„Als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei NORA.“ NORA war eine große Firma, die Küchengeräte vertrieb. Das Unternehmen saß im Rosenhagener Gewerbegebiet am Stadtrand. Dort arbeiteten einige der konservativen Abgeordneten im Hauptberuf. Auch Ehrhardt war bei NORA als kaufmännischer Mitarbeiter tätig. Von Stetten, von Haus aus Anwalt, war juristischer Berater der Firma. Es galt als offenes Geheimnis, dass er allen seinen politischen Zöglingen, die woanders nicht unterkamen, bei NORA Posten verschaffte. Gute alte Vetternwirtschaft!
Aber Voller? Mit offenem Mund starrte ich unseren Praktikanten an. Veräppelte er mich? Er wirkte todernst. Natürlich wusste ich, dass die Position des ‚Leiters für Öffentlichkeitsarbeit‘ bei NORA ausgeschrieben war. Eine große Sache, für die bundesweit in allen Tageszeitungen die eierlegende Wollmilchsau gesucht wurde. Doktortitel mit Auszeichnung, langjährige Medienerfahrung, Führungsqualitäten und und ... Am Ende sprang so ein hochtrabender Anzugträger mit geschliffenen intellektuellen Umgangsformen und fünfstelligem Monatsgehalt dabei heraus. Gut, Turnschuhtyp Voller war zwar hochtrabend, das blieb jedoch die einzige Voraussetzung, die er erfüllte.
„Du hast nicht mal ein abgeschlossenes Studium“, bemerkte ich verstört und dachte daran, wie viele Leute sich auf so eine Stellung bewerben: hunderte!
„Nö, von Stetten hat mich trotzdem gefragt, ob der Job was für mich wäre. Es gäbe zig Bewerbungen, aber er könnte mich bei den Vorstandsheinis protegieren. Wenn ich will.“
Unbegreiflich! Voller machte seine Sache gut, nur für so eine Position musste man ein bisschen mehr mitbringen. Und dass von Stetten ihn von sich aus ansprach ...!
Plötzlich fielen mir wieder seine homoerotischen Neigungen ein. Könnte es sein, dass er sich bei Voller Hoffnungen machte? Zugegebenermaßen stand unser Praktikant ja als knackiger, junger Mann in Saft und Kraft, interessierte sich allerdings, mit Ausnahme der eigenen Person, nicht die Bohne für das eigene Geschlecht.
„Willst du dein Studium abbrechen?“
Voller fasste sich mit gekonnter Leidensmiene an die Stirn. „Das Klima in der Uni destruiert meine Psyche. Und für meine Migräneanfälle wäre auch ein eloquenterer Arbeitsplatz erbaulich.“
Seine Qualifikation in punkto ‚Umgangsformen‘ bezweifelte ich nicht länger. Zumindest nicht die verbalen!
„Sind Sie an pikanten Informationen über die Grundstücksverteilung am Gottesanger interessiert?“, nuschelte eine verzerrte Stimme. Anscheinend absichtlich verstellt. Jedenfalls klang der Tonfall des Anrufers ungewöhnlich dumpf und näselnd, als halte er sich beim Sprechen die Nase zu. „Kommen Sie morgen Abend gegen zweiundzwanzig Uhr zum Grab des Nicolaus von Bernfried!“
„Was für ein Grab? Von wem? Wollen Sie mich veralbern?“ War ich in einem der Romantikthriller-Groschenhefte gelandet, die Tante Carlotta so gerne verschlungen hatte, oder nahm mich jemand auf den Arm?
Aber der Anrufer ließ sich nicht irritieren. Unbewegt sprach er weiter: „Dort wartet jemand mit wichtigen Details auf Sie. Kommen Sie allein!“
„Wer sind Sie?“
„Sprechen Sie mit niemandem über dieses Telefonat. Das ist von entscheidender Wichtigkeit!“ Ehe ich etwas erwiderte, legte der merkwürdige Anrufer auf.
„Kennst du das Grab von Nicolaus von Bärenfried oder so ähnlich?“, sprach ich Herbie an, der gerade vorbeiging.
„Klar, das gehört zu den sogenannten zweitklassigen Sehenswürdigkeiten in unserer Gegend. Er heißt übrigens Nicolaus von Bernfried und war der Bauherr des Herrenhauses Bernfried mit Torhaus, Nebengebäuden, Barockpark und Eiskeller. So ungefähr achtzehntes Jahrhundert“, rappelte Herbie sein historisches Wissen herunter, „ganz interessante Anlage in Herbeck.“
Durch das Dorf war ich auf dem Weg zur Kieskuhle gefahren.
„Das Herrenhaus ist heute privat bewohnt. Es ...“
„Ja, ja“, unterbrach ich ihn ungeduldig. „Wo finde ich das Grab von diesem Bernfried?“
„Es liegt hinter dem
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