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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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Reportage über die Dreharbeiten am Marktplatz fand er zu lang und unlebendig, Gundulas Bericht über die Stadtratssitzung nicht objektiv und mein Interview mit dem Vorsitzenden der Bahn-AG zu unkritisch. Kens Kreisverkehrskonzept legte ich ihm lieber gar nicht erst vor, sondern schmuggelte es so in die Zeitung.
    „Wo steckt Jelzick bloß?“, murrte Wagner. Auch Voller hatte sich nicht sehen lassen. „Wir haben zu wenig Stoff! So kriege ich nicht mal die Seiten gefüllt“, schimpfte er weiter.
    Gundula blickte in meine Richtung. „Was ist mit deinem Haus?“
    Ich schaute sie einen Moment lang irritiert an. „Welches Haus?“
    „Na, das denkmalgeschützte Haus, wo du gestern Abend warst.“
    Endlich schaltete ich. „Ach so! Das wird nichts. Ist noch inoffiziell“, redete ich mich eilig raus.
    Wagner interessierte sich zum Glück nicht weiter dafür.
    Fünf Minuten später stürmte Jelzick herein. Atemlos wie immer. In seine übliche blaue Zigarettenwolke eingehüllt, keuchte er: „Heute Nacht haben sich zwei Jugendliche tot gefahren. Auf der Rosenhagener Landstraße sind sie von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt.“
    „Hatten die das Auto geklaut?“, fragte ich neugierig.
    „Nein, er war achtzehn. Muss ein Pärchen gewesen sein. Ich habe Voller getroffen. Der hat die Sache heute zufällig in den Frühnachrichten gehört und recherchiert seitdem vor Ort.“
    Der Hoffnungsschimmer, der in Wagners Augen aufgeglommen war, verschwand wieder. „Die Geschichte ist bereits in den Nachrichten gelaufen?“
    Jelzick nickte.
    „Na gut, besser als nichts! Kommt trotzdem auf die Eins! Und was recherchiert unser Praktikant?“
    Jelzick drehte seinen piepsenden Polizeifunk an und tupfte sich mit dem Ärmel seines Sweatshirts einige Schweißtropfen ab. „Ich weiß nicht. Das macht er auf eigene Faust. Er spricht wohl mit Nachbarn und Freunden der Opfer.“
    Voller tauchte eine Stunde später auf. Er sah ganz fremd aus. Die Haare wirr, das T-Shirt zerknittert, die Augen rot gerändert, aber mit einem gierigen Ausdruck. Gleichzeitig strahlte er. Er rannte in das Büro des Chefs, ballte seine Faust und tönte: „Yeah, Herr Wagner, ich habe die Sensation!“
    Informationsdurstig, wie wir nun mal alle waren, sprangen wir von unseren Schreibtischstühlen auf, um Vollers Sensation live zu hören. Was er zu sagen hatte, klang traurig und schockierend zugleich. Voller hatte die Geschichte der beiden verunglückten Teenager recherchiert. Er hatte mit Freunden aus der Clique der beiden und mit dem Mann, der den Unglückswagen gefunden hatte, gesprochen.
    „Sie sind eindeutig zu schnell gefahren, Tempo hundertvierzig auf der Landstraße!“
    Jelzick zuckte gelangweilt die Achseln. „Kommt vor!“
    Voller senkte seine Stimme, um es spannender zu machen. „Aber deswegen hat der junge Mann nicht die Gewalt über das Auto verloren.“
    „Weswegen? Nun sag schon!“, drängte ich ihn.
    Voller legte eine weitere Kunstpause ein, atmete tief durch und sagte ausdrucksvoll: „Sex bei Tempo hundertvierzig!“
    Jetzt kam Leben ins uns. „Was? Wie bitte?“, kreischten wir durcheinander.
    Unser Chef besann sich auf seine autoritäre Rolle. „Ruhe!“, brüllte er und wandte sich an Voller. „Erzählen Sie weiter!“
    Voller, ganz Held der Situation, setzte sich auf den Tisch, schlug die Beine übereinander und genoss sichtlich unsere Aufmerksamkeit. „Sie haben es während der Fahrt miteinander getrieben. Übrigens nicht das erste Mal! Der beste Freund des Verunglückten berichtete mir, dass sie regelmäßig Sex im Auto hatten. Und immer bei der Fahrt. Je schneller, umso besser. Das fanden sie berauschend. Als man die beiden fand, trug sie nur einen Slip.“
    Die verhärmten Züge unseres Chefs glätteten sich allmählich. Ein ähnlich gieriges Glitzern wie in Vollers Augen leuchtete jetzt auch in seinen auf. Hektisch zerknüllte er ein Papier zwischen den Fingern. Achtlos ließ er die Schnipsel auf den Boden rieseln. Er klopfte Voller auf die Schulter. „Junge, das ist es! Damit kommen wir groß raus! An die Arbeit!“
    Wagner behielt recht mit seiner Prophezeiung. Die Ausgabe unserer Zeitung, auf der in riesigen Lettern ‚Sex bei Tempo 140‘ prangte, rissen uns die Leute aus den Händen. Ein Redakteur der größten überregionalen Boulevardzeitung rief an, um die Geschichte aufzugreifen. Mehrere andere Zeitungen und Radiosender meldeten sich, die Vollers heiße Geschichte in den Nachrichten bringen wollten.

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