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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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dieser neuen italienischen Restaurants, die Essen servieren, das in
keinerlei Beziehung zu irgend etwas steht, das man je in Italien gegessen hat.
Die Karte besteht durch und durch aus gerösteten Paprika, Steinpilzen und
gegrillter Polenta; alles ist mit so extra-extra reinem Olivenöl betröpfelt,
daß man sich fragt," warum sie nicht einfach eine Schüssel Oliven auf den
Tisch stellen, statt sich der ganzen Mühe des Pressens zu unterziehen. Wir
nahmen beide die kurzgebratene Kalbsleber mit einer Himbeer- und
Weinessigsalsa. (Warum konnte man noch vor wenigen Jahren nichts essen, das
nicht von einer Dekoration aus irgendwelchem Obst umringt war, und warum
bekommt man zur Zeit kein Essen, das nicht in Salsa ertrinkt, was immer das
auch sein mag?) Der Kellner war ganz in Schwarz gekleidet, und daß er ein
Lächeln aufsetzen würde, war ebenso wahrscheinlich, wie daß er eine große
phallische Pfeffermühle hinter seinem Rücken hervorholen und mit einem lächerlichen
italienischen Akzent »etwas Pfeffer?« rufen würde, wie es die italienischen
Kellner früher immer taten. Zusammen mit dem minimalen Dekor und der nicht zur
Jahreszeit passenden Klimaanlage war es, als speiste man in einer sehr
trendgemäßen Leichenhalle.
    »Verstehen Sie«, fuhr sie fort, »ich werde mich
bemühen, aber ich bin nicht sicher, ob ich damit fertig werde... Ich muß sagen,
ich brauche etwas Hilfe. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber glauben Sie, Sie
könnten...?«
    Ich ließ ihre Frage in der Luft hängen und
hoffte, sie würde weitersprechen und mir einen Hinweis geben, wovon sie redete.
Sie tat es nicht, also mußte ich fragen.
    »Was genau meinen Sie?«
    »Hat es Ihnen niemand erzählt?«
    »Was?«
    »Nun, ich vermute, es ist verständlich in
Anbetracht von Tonys momentanem Geisteszustand... Sehen Sie, ich habe alles
geerbt. Sämtliche Anteile von Agatha. Alles. Ich bin die nächste Verwandte, und
sie starb, ohne einen letzten Willen zu hinterlassen — wie heißt das noch, ich
sollte es wissen... ohne Testament verstorben — Sie war immer so nachlässig mit
dem Papierkram.«
    »Oh...« Mein erster Gedanke war Erleichterung,
daß ich dieses Mal ein bißchen umsichtiger gewesen war, bevor ich Mr.
Middlemarch anrief, da das Hauptmotiv meines dritten Verdächtigen gerade
verschwunden war.
    »Ich hatte angenommen, Anthony hätte die Firma
geerbt«, sagte ich.
    Er hatte sich benommen, als habe er automatisch
das Recht, weiterhin Agathas Klienten zu vertreten. Ich war nicht sicher, wie
man genau eine Agentur vermachen konnte, da deren Auskommen so sehr von der
Loyalität der Klienten abhing, aber da er in letzter Zeit so viele Stunden beim
Rechtsanwalt verbracht hatte, nahm ich an, daß das Unternehmen jetzt ihm
gehörte.
    »Nun, natürlich muß es ein schrecklicher Schlag
für ihn gewesen sein, weil sie sich nahestanden. Erst bringt sie sich um, ohne
einen Brief oder etwas anderes für ihn zu hinterlassen, und dann bekommt er
nichts.« Ich meinte, fast Schadenfreude in ihrer Stimme zu vernehmen.
    »Aber ich dachte, Anthony glaubt, es könnte sich
um einen Unfall handeln.«
    »Ja, natürlich versucht er das jetzt zu sagen.
Reine Verzweiflung. Er glaubt das nicht wirklich, aber er muß sich die
Möglichkeit des Zweifels offenhalten, weil eine Lebensversicherung besteht. Er
hat das für sie beide organisiert, weil es eine Ausgabe war, die das
Unternehmen von der Steuer absetzen konnte. Er ist der alleinige Nutznießer,
aber es gibt eine Klausel, die das bei Selbstmord nullifiziert. Als er das
herausfand, fing er an zu sagen, er glaube, es könne sich um einen Unfall handeln.
Er sagte sogar Mr. Middlemarch, daß er denkt, Sie würden ihn darin
unterstützen. Mr. Middlemarch erkannte das Problem. Er sagt, daß Coroner
gewöhnlich sehr viel Verständnis für diese Dinge haben.«
    Als sie ihre erste Auster aufhob, bemerkte ich,
daß ihre Hand unkontrollierbar zitterte.
    »Ich muß schon sagen«, sagte sie, »es ist
furchtbar deprimierend, darüber zu reden, nicht wahr? Sollen wir etwas Wein
trinken?«
    Bevor ich Gelegenheit hatte zu antworten, winkte
sie einen vorbeigehenden Kellner heran und bestellte eine Flasche Chianti. Sie
trank kurz hintereinander zwei Gläser, und ihr Gesicht wurde von einem rosigen
Schimmer überzogen. Obwohl sie eine ganze Menge Grundierung und Puder
aufgetragen hatte, wurden kleine rötliche Adern durch die Tarnung auf ihrer
Nase hindurch sichtbar.
    »Ich bin mir nicht darüber im klaren«, wagte ich
mich vor,

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