Mordsucht
Zeigefinger auf das Kinn. »Vielleicht, weil du mir gesagt hast, dass du mich liebst, kurz nachdem ich dir erzählt hab, dass mein Freund mir einen Heiratsantrag gemacht hat?« Der Sarkasmus troff aus ihren Worten.
»Es tut mir leid, Diana, aber …«
»Nein!« Sie hielt mir abwehrend eine Hand entgegen. »Ich will davon nichts hören.« Ihr stiegen Tränen in die Augen. »Ich kann nicht, Tomas. Bitte versteh das …« Sie nahm die Akten und die Tasse vom Tisch und verschwand aus dem Pausenraum.
Grandios gescheitert, Herr Ratz, Sie haben auf ganzer Linie versagt .
Dianas Gefühlsausbruch und ihr rasches Verschwinden ließen mich nur zu dem einen Schluss kommen: Sie war nicht an mir interessiert.
So schwer es mir mit Sicherheit fallen würde, ich musste es akzeptieren, um unsere weitere Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Ich hatte mich gewagt, einer Frau meine Gefühle zu gestehen, und verloren.
Shit Happens, find dich damit ab.
Ich sah auf die Wanduhr. Es war mittlerweile fünf Uhr morgens. Mein Dienst begann um sieben. Ich rührte mit einem Löffel in meinem Kaffee und beschloss, nicht erst nach Hause zu fahren, sondern mich direkt in die Arbeit zu stürzen. Da Diana mit dem Doppelmord beschäftigt war, konnte ich mich um die alten Delikte kümmern und so eine gewisse Distanz zwischen uns bringen. Ob es ausreichte, um die Wogen zu glätten, blieb abzuwarten.
Ich nahm meine Tasse und ging durch die verwaisten Flure zum Archivraum. Hinter manchen Bürotüren vernahm ich leises Gemurmel oder lautes Hämmern auf einer Tastatur. Auch wenn das Revier verlassen wirkte, arbeiteten viele Beamte daran, die Welt ein wenig besser zu machen.
Ich erreichte mein Ziel, schloss die Tür auf und schaltete das Licht an. Die Glühbirne flackerte kurz und ich befürchtete, sie würde den Geist aufgeben und ich müsste den Hausmeister informieren. Aber sie hielt und erhellte die auf dem Tisch gestapelten Akten. Diana hatte sie in mehrere Kategorien aufgeteilt, nachdem ich nach Hause gefahren war. Auf jedem Stapel lag ein handgeschriebener Zettel, auf dem die jeweiligen Merkmale notiert waren. Ich wusste, welche Akte ich mir zuerst vornehmen wollte. Die, die mich gestern an den Rand meiner Belastbarkeit gebracht hatte. Es waren zwei Ordner, die aufeinanderlagen. Dianas Notiz war kurz und knapp: Brutal getötete Männer. Obwohl der Stapel mit den weiblichen Opfern höher war, zog es mich zu den beiden anderen Fällen. Was es auch war, was mich an ihnen faszinierte, ich musste mich damit beschäftigen.
Ich nahm das Dokument und setzte mich auf einen Stuhl. Als ich es aufschlug, trank ich den letzten Schluck Kaffee und stellte die Tasse beiseite.
»Dann wollen wir mal …«
Im Februar 1999 war eine entkleidete Männerleiche am Ufer des Toeppersees gefunden worden. Der Name des Opfers war Henry Malik. Bevor er tot aufgefunden worden war, hatte er zwei Tage als vermisst gegolten. Ehe ich mir die Zeugenaussagen ansah, blätterte ich vor zu den Tatortfotos, die mich gestern aus der Fassung gebracht hatten. Ich nahm sie aus der Akte, legte sie nebeneinander auf den Tisch und schluckte schwer. Wie krank musste man sein, um derartiges einem Menschen anzutun? Was trieb den Täter dazu?
Kapitel 19
Februar 1999
David saß in seinem Wagen. Die Kälte erzeugte kleine Dampfwolken vor seinem Mund, als er aufgeregt schnell ein- und ausatmete. Er hatte stundenlang auf dem Parkplatz des Fitnessstudios gewartet. Ein unbrauchbares Exemplar nach dem anderen kam durch die Glastür, ging zu seinem Auto oder Fahrrad und verschwand aus Davids Blickfeld. In dem Moment, als auf WDR 4 eins seiner Lieblingslieder gespielt wurde, betrat ein blonder, junger Mann den Parkplatz und ging Richtung Hauptstraße.
David wusste, trotz der Dunkelheit, dass er der Richtige war. Kein Zweifel, kein Vertun. Er musste ihn haben. Langsam drehte er den Schlüssel im Zündschloss um. Als der Motor startete, wehte ihm frostige Luft aus der Lüftung entgegen. Es interessierte ihn nicht, einzig und allein das Ziel war jetzt wichtig. Er durfte ihn nicht aus den Augen verlieren. David fuhr vom Parkplatz und stellte sich an den Straßenrand, während der Junge auf eine Bushaltestelle zulief. Er blieb davor stehen, besah sich den Fahrplan und zündete sich eine Zigarette an.
»Keine Chance …«, murmelte David und war sich bewusst, dass er noch darauf warten musste, das Exemplar in seine Gewalt zu bringen. Zu viele Menschen standen an der Haltestelle,
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