Mordsucht
vehement zur Wehr setzen konnte. Zu meiner Überraschung schaffte sie es. Es dauerte fünf Minuten, bis die fluchende Stalkerin in Handschellen am Boden lag.
»Fickt euch!«, schrie sie, während sie auf die Beine gezogen wurde. »Ich mach euch fertig, ihr Wichser!«
Carmen fluchte weiter wie ein Rohrspatz, als der Beamte sie an mir vorbeischob und mit ihr im Treppenhaus verschwand. Der andere Polizist blieb vor Leon und mir stehen. Wie hieß er noch gleich … John? Christian? Frank? Verdammt!
»Ihr müsst mit auf die Wache kommen«, meinte der Namenlose. Anscheinend kam er auch nicht auf meinen, damit waren wir quitt.
»Selbstverständlich«, sagte ich. »Wir fahren hinter euch her.«
Mein Kollege nickte und verschwand ebenfalls im Hausflur.
»Ich zieh mir schnell was über!« Leon rannte in sein Schlafzimmer und ich blieb allein zurück.
Auch wenn ich meinen Nachbarn per Vornamen kannte, verband uns sonst nichts. Ich nahm mir fest vor, ihn mal zu einem Bier einzuladen, wenn die Sache mit seiner Ex überstanden war. Gegen einen neuen Bekannten, mit dem ich über alles reden konnte, hatte ich nichts einzuwenden. Nach dem Freitod meines besten Freundes Hermann wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mit jemandem einen trinken zu gehen. Zwar war Leon jünger als ich und hatte eine Vorliebe für Männer, dennoch stimmte die Chemie zwischen uns auf Anhieb.
»Wir können!«, rief er, als er aus dem Schlafzimmer gestolpert kam. Er nahm seinen Schlüssel und schloss hinter uns ab, nachdem wir die Wohnung verlassen hatten. »Es tut mir unheimlich leid, dass …«, setzte er an.
Ich unterbrach ihn. »Das ist mein Job, mach dir keinen Kopf.«
Ich sah die Dankbarkeit in seinen Augen, aber auch Schmerz und Erschöpfung. Viel Hoffnung, dass wir Carmen lange festhalten konnten, hatte ich nicht. Leon würde seine Anzeige machen und der Staatsapparat würde wie immer nichts unternehmen.
Wortlos stiegen wir die Treppe hinunter, verließen das Haus und gingen zu meinem Auto. Der Polizeiwagen war nirgends zu sehen. Bestimmt waren sie vorgefahren, um die verrückte Fracht schnellstmöglich abzuladen.
Ich öffnete die Fahrertür und wollte einsteigen, als Leons Stimme mich verharren ließ.
»Tomas?«
Ich sah ihn über das Autodach hinweg an. Die Straßenlampen ließen ihn im fahlen Licht kränklich erscheinen.
»Was wollen die Beamten alles wissen?«
Die Frage verwirrte mich. »Wie meinst du das?«
»Ich meine, über mich und was ich so treibe.«
»Hast du denn was angestellt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nichts Ungesetzliches, aber es gibt da eine Sache, die muss nicht jeder wissen …«
Ich bemerkte, dass er sich für irgendetwas schämte. »Wenn es nicht relevant für den Fall ist, brauchst du es nicht erwähnen«, sagte ich und Leon seufzte kaum merklich auf. »Und jetzt steig ein.«
Das Knallen der Autotüren schallte durch die stille Straße. Hinter jeder dunklen Ecke, in jedem Gebüsch konnte jemand lauern, der einem an die Gurgel wollte. Die Nacht und ihre Geschöpfe erzeugten bei mir eine Gänsehaut. Ich startete den Wagen und fuhr mit Leon zum Revier.
Kapitel 18
Ich wartete mit Carmen in einem Büro. Meine Aussage hatten die Beamten bereits aufgenommen und befragten gerade Leon zu den Vorfällen der heutigen Nacht. Ich hatte ihm während der Fahrt geraten, den Kollegen alles über ihre Beziehung zu erzählen, damit sie sich ein genaues Bild machen konnten.
Bis jetzt hatte Carmen bloß dagesessen und die Einrichtung inspiziert, plötzlich zwinkerte sie mir zu. Ich fand die Geste mehr als verstörend und wandte meinen Blick von ihr ab. Ich sah durch die offenstehende Tür in den Flur hinaus. Niemand hielt sich derzeit in den Gängen auf.
Sehnsüchtig hoffte ich, dass meine Kollegen die Befragung von Leon schnell abschlossen, damit ich diese Verrückte in ihre Obhut übergeben konnte. Leider tat sich nichts. Seit einer halben Stunde wartete ich mit ihr in dem kleinen, muffigen Büro und starrte Löcher in die Luft.
Carmen schien es langweilig zu werden, sie rutschte mit ihrem Hintern auf dem Stuhl hin und her und murmelte etwas. Ich versuchte, sie weiterhin zu ignorieren. Sie ließ mir keine Wahl, als sie ein Gespräch anfing.
»Hey!«, rief sie und erreichte, dass ich mich zu ihr umdrehte. »Wie heißt du noch mal, Hübscher?«
Sie widerte mich an. Obwohl sie ein ansehnliches Mädchen war, schienen ihre Worte aus Gift zu bestehen.
»Ratz«, sagte ich knapp und gab ihr zu
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