Mordsucht
keinen anderen, komme, was wolle.
Das Gesicht, jugendlich und rein. Er wirkte nicht wie die anderen, er schien wie ein Engel unter den Männern, die sich für Sex bezahlen ließen.
Gino Geil – vermutlich ein Künstlername – bot eine Kontaktaufnahme per Telefon an. Die Zahlen, die David sich notierte, wirkten krakelig und unsauber. Seine Hände zitterten. Die Anspannung, kurzfristig kein geeignetes Exemplar zu finden, fiel von ihm ab und ließ Platz für die Vorfreude auf das, was HeaterAD ihm zeigen würde.
Er wählte die Nummer und lauschte gebannt dem monotonen Tuten, bis endlich jemand abnahm.
»Hallo? Wie kann ich dir helfen?«, meldete sich eine verführerische Stimme.
Er wusste im ersten Moment nicht, was er antworten sollte. Noch nie hatte er sich ein Exemplar auf diese Weise beschafft und es waren viele gewesen. Die Jagd gehörte für ihn genauso zu dem Ritual, wie das, was während und nach den Morden geschah. Aber dafür hatte er jetzt keine Zeit. HeaterAD wartete und David befürchtete, er könnte von seinem Angebot abrücken, wenn er nicht bald einen geeigneten Mann vorwies.
Indem er einen Callboy buchte, setzte er sein gesamtes Werk aufs Spiel. Die Polizei war nicht dumm und vielleicht würden sie ihm auf die Schliche kommen, wenn er sich per Telefon einen Mann bestellte. Jedoch musste er das Risiko eingehen, um endlich das Geheimnis zu erfahren. Selbst wenn er nach einem geglückten Versuch im Gefängnis landete …
»Ich brauche Gesellschaft.« David wusste nicht, was er sagen sollte. »Du weißt schon, was ich meine.« Seine Stimme klang wieder zu hoch in seinen Ohren.
»Wann und wo, Süßer?«
Er gab Gino Geil die Adresse.
»Wir sehen uns in einer Stunde.« Der Callboy legte auf.
David hatte erwartet, Informationen zu erhalten oder Bedingungen gestellt zu bekommen, wie ihre Begegnung ablaufen würde oder wie viel Geld er bereithalten musste. Aber wie er Ginos Kontaktdaten entnehmen konnte, verkehrte dieser noch nicht lange im Geschäft mit der käuflichen Liebe.
Anfänger ruft Anfänger an …
David schmunzelte und schaltete den Computer aus. Es gab noch einiges vorzubereiten, damit er HeaterAD treffen konnte.
Die Waffe prüfen und seine Messer schärfen hatte oberste Priorität.
Kapitel 25
Nichts. Stundenlange Recherche und wir hatten nichts. Ich legte die Akten beiseite und schlug mir die Hände vors Gesicht. Was gab es Deprimierenderes, als einem Serienkiller auf die Spur gekommen zu sein und nichts vorzufinden außer heißer Luft? Ja, es gab sechs Leichen binnen vierzehn Jahren, vier davon Männer und zwei Frauen. Und ja, es gab definitiv eine Verbindung zwischen ihnen, aber nur die durch den Täter. Die Opfer kannten sich untereinander nicht, sie besuchten nicht die gleichen Orte und es gab keine gemeinsamen Bekannten.
Frustration breitete sich in mir aus. Was erwartete ich? Dass ich innerhalb von zwei Tagen das lösen konnte, was anderen Ermittlern nicht einmal aufgefallen war? Von einem Supercop war ich meilenweit entfernt und sollte uns nicht Kommissar Zufall zu Hilfe eilen, könnte uns das Rätsel noch lange beschäftigen.
»Wer will einen Kaffee?« Jürgen stand auf und streckte sich.
Diana und ich meldeten uns stumm. Er ging aus dem Zimmer und ich ließ meinen Blick über das Flipchart wandern. Was konnte der Grund für all das sein? Mir fiel spontan eine Abneigung gegen Männer ein. Wurde der Killer von seinem Vater misshandelt und rächte sich auf seine Art an der Männerwelt? Wie alt mochte er sein? Es war mir nicht möglich, sein ungefähres Alter zu schätzen. Wir wussten nicht, ob er schon vor 1999 gemordet hatte und die Leichen nur noch nicht gefunden worden waren oder ob er sich vielleicht zeitweise im Ausland aufhielt.
Diana reckte sich und nahm mit ihren Händen das Haar zu einem Zopf zusammen. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich ihren zarten Hals. Anstatt mir zu wünschen ihn zu liebkosen, entdeckte ich dort einen weiteren Bluterguss von der Größe einer Walnuss. Sie bemerkte meinen Blick, ließ umgehend die Haare los und zupfte sie zurecht, sodass der Fleck in einem roten Wust verschwand.
»Und wo hast du den her?«, fragte ich.
Meine Partnerin zählte zwar einst zu den Nervensägen des Jahrhunderts, aber dass sie ein Schussel oder Tollpatsch war, konnte ich nicht behaupten. Wo hatte sie all die blauen Flecken her?
Dieses Mal wusste sie sofort, was ich meinte. »Der ist auch aus dem Fitnessstudio. Der Hausmeister hatte den Boden
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