Mordsucht
wich. Wie konnte man über eine Frau wie Diana derart reden?
»Sie hat dem Chef gedroht, mich anzuzeigen. Sie sei bei der Kripo, hat sie getönt, da käme ganz fix eine Klage ins Haus geflattert«, fuhr er fort. »Solche Menschen kann ich hassen, echt.«
»Vielen Dank für die Informationen, Brian«, bedankte ich mich artig, um im nächsten Moment zum großen Gegenschlag auszuholen. Ich zeigte ihm meinen Dienstausweis. »Und wenn Sie wieder meine Partnerin beleidigen und bedrohen, sind Sie schneller auf dem Revier, als Sie Scheiße sagen können.« Ich zwinkerte ihm zu. »Kapiert?«
Ich sah, dass sich weitere Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten und sein Adamsapfel sich hob und senkte, während er einen Kloß herunterschluckte.
»Das hätten Sie mir auch gleich verraten können …« Er murmelte noch etwas und verschwand zwischen seinen Werkzeugen.
Zufrieden mit dem, was ich herausgefunden hatte und dass ich einem Arschloch die Meinung geigen konnte, verließ ich das Fitnessstudio. Ich hatte eine Grenze überschritten, aber dafür konnte ich gleich zwei Erfolge feiern. Der Wichtigste war, dass Diana mich nicht über die Herkunft ihrer Verletzungen belogen hatte.
Auf dem Rückweg zum Revier hielt ich an einer Tankstelle und kaufte mir eine Flasche Cola und ein abgepacktes Sandwich. Nicht viel, doch für mehr blieb mir keine Zeit, durch meinen Abstecher ins Fitnessstudio hatte ich eine Dreiviertelstunde verplempert.
Als ich an den Zeitungen vorbeiging, fielen mir die gigantischen Überschriften auf. »Drittes Kind tot aufgefunden!« oder »Wann hört das endlich auf? Schützt unsere Kinder!« sowie »Spielt Täter mit der Polizei?« Für die Redaktionen waren solche Fälle ein wahres Fressen. Ich warf ihnen nicht vor, dass sie sich an den Verbrechen aufgeilten, wenn ein Serienmörder oder Vergewaltiger die Gegend unsicher machte. Dennoch dürften sie sich über steigende Absatzzahlen freuen, wenn ganz Deutschland so viele Details und Informationen forderte wie möglich. Ob sie nun der Wahrheit entsprachen oder ein Journalist sich die dollsten Geschichten aus den Fingern sog und sie unter Nennung von geheimen Quellen als Fakten verkaufte.
Ich ignorierte die Zeitungen – sie enthielten mit Sicherheit nichts, was ich nicht bereits wusste – und ging zur Kasse.
Ein dicker Mann mit fettigen Haaren und Senfresten im Mundwinkel sah mich aus seinen Schweinsaugen desinteressiert an. Ich war kurz davor zu fragen, wie der Hotdog geschmeckt hatte, der halb in seinem Gesicht hing und dessen Verpackung noch auf dem Tresen lag, besann mich aber meiner Erziehung, begrüßte ihn freundlich und bezahlte meinen Einkauf.
Als ich wieder im Auto saß und mein karges Essen verspeiste, dachte ich darüber nach, wie wir unsere Welt heute wahrnahmen. Geblendet von den Schönen und Reichen, die sich in Realitysoaps die Klinke in die Hand gaben, und Hollywoodstars, die das Schönheitsideal vorgaben, vergaßen wir, uns den Nachbarn oder den Mann am Kiosk einfach mal genauer anzusehen. In Zeiten von Facebook und Co lag die Befürchtung nahe, dass die nächsten Generationen die Kommunikation, so wie ich sie kannte, verlernte und nur noch durch das Internet verkehrte.
Was sah in solch einer Zeit unser Killer? Fühlte er sich ausgegrenzt von der Gesellschaft, nicht akzeptiert oder sogar verstoßen? Konnte sein Motiv Neid sein? Nicht mehr und nicht weniger?
Ich startete den Wagen. In zehn Minuten war die Pause vorbei und ich wollte Diana nicht noch weiter verärgern, als ich es ohnehin schon getan hatte. Eine Minute vor deren Ende stolperte ich ins Revier und stieß mit einem meiner Kollegen zusammen. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und ich wusste, dass er nur zur Soko gehören konnte, die den Pädophilen jagte.
»´tschuldigung«, nuschelte er und ging mit einem Stapel Akten unterm Arm seines Weges.
Eigentlich hätte ich mich entschuldigen müssen, aber der Beamte war so in seine Gedanken vertieft, dass er sich wahrscheinlich nicht mal daran erinnern konnte, mit wem er zusammengestoßen war.
Als ich an der Anmeldung vorbeiging, hörte ich, wie sich ein Mann lauthals beschwerte. Ich achtete nicht mehr auf die Uhr, sondern betrachtete das Schauspiel vor dem Tresen, stets bereit, dem Randalierenden in den Rücken zu springen, sollte er die Polizistin zu sehr bedrängen.
»Fast zwei Tage ist sie jetzt weg!«, wütete er. »Wie lange soll ich noch warten, bis ihr sie sucht? Sie ist mein bestes Pferd im Stall und mir gehen
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