Mordswiesn: Der fünfte Fall für Max Raintaler (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
und Buden ringsumher den Abendhimmel zu erhellen. Überall war Musik zu hören. Gebrannte Mandeln, Zuckerwatte, Schaschlik, Ochsenfetzen auf handtellergroßen Semmeln und leckere Bratwürste verströmten ihren unwiderstehlichen Duft.
Es ist schon etwas Besonderes, ein Münchner zu sein, sagte er sich. Wir haben das größte Volksfest, das beste Bier, das schönste Umland und die geringste Arbeitslosigkeit. Wenn man genug Geld hat, befindet man sich hier auf der reinsten Insel der Glückseligen. Da frag ich mich dann schon, warum so viele Leute, die einem auf der Straße begegnen, so grantig und unzufrieden dreinschauen. Verdienen sie am Ende zu viel Geld und können sich deshalb nicht mehr an Kleinigkeiten erfreuen? Oder ist es vielleicht einfach zu schön bei uns, sodass man nach einer Weile unzufrieden werden muss, weil es keine Steigerung mehr gibt? Oder ist der Föhn schuld? Egal. Wie auch immer. Mir gefällt es hier jedenfalls, und ich bleibe hier. Wieso sollte ich auch in die Welt hinaus fahren, wenn die ganze Welt sowieso jeden Herbst wieder zu uns kommt.
»Wahnsinn!« Bellina war mit grünlichbleichem Gesicht vor ihm aufgetaucht. Sie zitterte am ganzen Körper. »Absoluter Wahnsinn!«, fuhr sie atemlos fort. »Sei froh, dass du nicht mitgefahren bist, Max. Mir ist total schlecht. Als Kind hat mir die Achterbahn nicht das Geringste ausgemacht. Aber das hat sich offenbar grundlegend geändert.«
»Ich hab es ja gleich gesagt«, meinte er. »Der reinste Selbstmord, dieses hektische Gewackel durch die Luft. Da hilft normalerweise nur ein Schnaps.« Er zeigte auf den gut besuchten Spirituosenstand, keine 20 Meter weit von ihnen entfernt auf der anderen Seite. »Da trinken wir jetzt einen«, fuhr er fort. »Du wirst sehen, dann geht es dir gleich wieder besser.«
»Aber Mariella und Josef fahren doch gerade noch mal. Wie sollen die uns dann finden?«
»Die finden uns schon. Wir sind ja sozusagen nebenan. Gehen wir?«
»Okay. Mir ist wirklich so was von schlecht.« Sie hakte sich bei ihm unter und ließ sich bereitwillig von ihm quer durch die träge auf und ab ziehende Herde der Vergnügungswilligen geleiten.
Bei der Schnapsbude angekommen, erkämpften sie sich zwei Stehplätze an der Theke, und Max bestellte doppelte Obstler. Wenn schon, denn schon, dachte er. Nachdem Bellina ihr Glas auf Ex geleert hatte, kehrte langsam wieder die Farbe in ihr Gesicht zurück. Max bemerkte, dass er allmählich einen winzigen Rausch bekam. Kein Wunder nach drei Litern Bier und einem Doppelten. Ungeachtet dessen beschlich ihn auf einmal eine Ahnung, dass etwas Schlimmes geschehen würde. Eine vage Angst, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Bin ich schon betrunkener, als ich gedacht habe?, fragte er sich. Egal. Was soll’s? Hier ist doch sowieso jeder blau. Er bestellte noch mal dasselbe.
»Das tut gut«, stöhnte Bellina, nachdem sie den gesamten Inhalt des zweiten Glases mit einem Schwupp in ihrer Kehle versenkt hatte. »Von mir aus können wir jetzt Geisterbahn fahren, Max.«
»Wollen wir nicht auf deine kleine Schwester warten?« Er hoffte, dass der Kelch mit der Geisterbahnfahrt an ihm vorüberging und direkt von Mariella entgegengenommen wurde. Ihn langweilte die Geisterbahn mindestens genauso wie der Fünferlooping und die anderen Fahrgeschäfte. Zum Biertrinken kam er jedes Jahr wirklich gern auf die Wiesn, aber das alberne Gesause drum herum brauchte er absolut nicht. Trotzdem ahnte er bereits, dass er der ausnehmend hübschen jungen Frau vor ihm ihre Bitte wohl nicht abschlagen können würde.
»Nein«, erwiderte sie entschlossen. »Wir treffen sie nachher im Bierzelt sowieso wieder. Soll die mal ruhig mit Josef zum Freefall und zum Power Tower gehen oder zum Flip Fly, wie sie gemeint hat. Mir reicht es mit dem Karussellzeugs. Außerdem gefällt ihr Josef glaube ich ganz gut.«
»Echt? Der Stirner mit seinem Riesenschnurrbart?«
Erstaunlich, wo die Liebe manchmal hinfiel.
»Ja. Er ist zwar etwas alt für sie mit ihren 24 Jahren. Aber er sieht genau wie du immer noch sehr gut aus. Und vorhin in der Achterbahn hat sie sich die ganze Zeit an seiner Hand festgehalten. Da können wir glaube ich getrost allein zur Geisterbahn gehen.«
Er sah immer noch sehr gut aus? Das hörte man doch gern. War sie etwa auch schon angeheitert? Sie redete auf einmal so langsam. Oder kam es ihm nur so vor, weil er selbst immer blauer wurde. Eine Maß hatte sie vorhin auf jeden Fall gehabt. Aber wer weiß, was die beiden bereits
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