Morenga
vor dem Pontok, mit einem Gesicht, das stets mehr aufgequollen war, Falten wie Kartoffelsäcke unter den Augen und einer glühroten Nase. Er ging dann seitab und steckte den Finger in den Hals, würgte kurz, dann riß es ihn regelrecht hoch, und mit einem gewaltigen Stoß spritzte eine bräunliche Brühe Öl, Alkohol, Magensäure, unverdautes Fischeiweiß und Brotschleim aus ihm heraus. Jaulend und kläffend drängten sich die Köter der Werft um seine Füße und schlappten die Lache auf. Die verknäuelten Hunde neben sich, ließ er sich schnell drei Dosen Ölsardinen reichen, sagte zu dem erstarrten Treptow: Drei Jahre noch, dann werde er sich zur Ruhe setzen, nicht in Appenrade, sondern in Gmund am Tegernsee, wo es eine Kirche mit einem besonders schönen Zwiebelturm gibt. Da riß es ihn plötzlich wieder herum, und er kotzte wieder Sardinenstücke und Öl aus. Er habe schon als Kind keinen Fisch gemocht, sagte er entschuldigend, und ließ drei neue Dosen bringen, warf die Sardinen den Hunden zu und schlürfte lediglich das Öl vorsichtig aus. Dann ging er zu Klaas Hendriks in den Pontok zurück. Am Abend des dritten Tages sackte Klaas Hendriks mit einem fast preußischblauen Gesicht zusammen. Stocksteif lag er am Boden. Alle Versuche, ihn wachzurütteln, blieben erfolglos. Selbst auf ein Riechfläschchen mit reinem Ammoniak zeigte er keinerlei Regung. Aber sein Puls war, wenn auch flattrig, noch spürbar.
Kurz bevor er zu Boden ging, hatte er noch seine drei Kreuze unter den Kaufvertrag gemacht, beglaubigt durch die Unterschrift von Pater Defregger. Der südöstliche Teil des Landbesitzes der Topnaars war gegen 210 £, 60 Flaschen Branntwein (deutsches Fabrikat), 20 Flaschen besten Kubarum (weiß!), 15 kg Tabak, 25 kg Kaffee sowie ein perlmutternes Opernglas an die Landgesellschaft gegangen. Eigentlich habe er nur 190 £ zahlen wollen, sagte Kleinschmidt, aber Klaas Hendriks sei da hart geblieben und ihm beinahe vor Vertragsabschluß umgekippt. Trotzdem ärgere er sich über die verlorenen zwanzig Pfund. Dann steckte Kleinschmidt den Finger in den Hals und sagte: geschafft. Er vertrieb die Köter mit Fußtritten und ließ sich von seinem Bambusen ungesalzenen Haferschleim kochen. Er schlürfte etwas Kamillentee dazu und sagte zu Treptow, er solle eine genaue Karte vom Gebiet anfertigen. Die Grenze der Landgesellschaft müsse rot markiert sein. Die Fixpunkte seien im Vertrag wie gewöhnlich festgelegt. Er solle achtgeben, daß ein alter, verholzter Hakenbaum nicht umgehauen werde. Dann legte er sich hin und schlief bis in den übernächsten Tag. An einem Sonnabendmorgen ritt Kleinschmidt, in einen Lammfellmantel gehüllt, das Steckschach vor sich auf dem Sattel, nach Windhuk zurück.
Klaas Hendriks lag noch immer unverändert starr und steif, hatte inzwischen aber zweimal den linken Augendeckel aufgeklappt. Am Morgen, früh am Morgen, ließ Treptow den Theodoliten aufstellen. Die Leute, die ihm die Meßlatten trugen, wußten, daß es kein Fotoapparat war. Zu nahe lag der Hafen Walvisbaai. Langsam lichtete sich der morgendliche Nebel. Treptow machte sich an die Arbeit.
Durststrecken
Was Gottschalk sich später nicht erklären konnte, war, wie ein so abwegiger Gedanke langsam im selben Kopf, der ihn für so abwegig hielt, eine derartige Überzeugungskraft gewinnen konnte, daß man schließlich wie unter einem Zwang nach Wegen sucht, ihn in die Tat umzusetzen.
Er trug einen ausgebeulten, schmuddeligen Leinenanzug und trank einen lauwarmen Fusel aus der Flasche. Ein Fremder, so saß er auf einer Veranda und blickte die Straße hinunter, vielmehr den Lehmweg, auf dem die Schweine im Schatten der Häuser lagen und grunzten. Niemand im Dorf konnte sagen, woher der Fremde mit seinem holprigen Spanisch kam und warum er sich ausgerechnet in diesem gottverlassenen Nest als Tierarzt niedergelassen hatte. Im Dorf liefen eine Zeitlang Gerüchte um, daß er auf der Flucht sei, bis auch die verstummten und langsam vergessen wurden in der lähmenden Monotonie der Hitze.
Das Unheimliche an dieser Vorstellung war für Gottschalk, daß es dann kein Zurück geben würde. Er müßte dann ein anderes Leben leben. Ein Leben, das in seiner Fremdheit etwas Erschreckendes, zugleich aber auch etwas Faszinierendes hatte.
Ende März hatte die Kolonne Kamptz mit den erbeuteten Viehherden Keetmannshoop erreicht.
Gottschalk ritt staunend durch einen völlig veränderten Ort. Vor drei Monaten liefen hier ein paar abgerissene Soldaten und
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